Der Gesang des Blutes
und den großen Schatten in der Mitte.
Der schwarze Mann, dachte er. Dann bewegte sich der Schemen und kam auf ihn zu. Robert wischte sich mit der Hand über die Augen, und tatsächlich ließen Schwindel und Sichteinschränkung nach. Hatte er eine Gehirnerschütterung? Er musste dagegen ankämpfen, sonst würde er in diesem Haus sterben. Er tastete nach hinten, fühlte das Treppengeländer, griff zu und zog sich daran hoch. Übelkeit stieg in ihm auf, sein Kopf pochte schmerzhaft, trotzdem schaffte er es, auf die Beine zu kommen.
Die Gestalt tauchte vor ihm auf, er spürte die Kälte, die sie verströmte. Es war Radduk; die linke Gesichtshälfte war zerstört, doch es bestand kein Zweifel. Er bewegte sich langsam, merkwürdig hölzern, und das eine geöffnete Auge blickte starr. Robert wusste, dass er keine Zeit verlieren durfte. Er wich nach rechts aus, ließ sich fallen und rollte über die Schulter ab. Neben Johann kam er auf die Knie.
Der alte Mönck lehnte mit dem Rücken an der Wand vor der Treppe und starrte ihn aus geweiteten Augen an. Eine Hand verkrampfte sich noch immer um den Teddy. Sein Mund war geöffnet, er schien um Atem zu ringen und konnte nicht sprechen.
Robert schnappte sich eine Flasche Brennspiritus und sprang auf. Wo war die verfluchte Waffe? Suchend blickte er sich auf der Diele um. Aus den Augenwinkeln sah er Radduk auf sich zukommen. Und er sah auch das lange Messer in dessen Hand. Robert wich zurück, schraubte dabei den Verschluss von der Kappe und verspritzte den Spiritus. Der Strahl reichte bis zu Radduk und an die Treppe. Beim Rückwärtsgehen übersah Robert die Milchkanne, stolperte und fiel nach hinten. Noch bevor er sich wieder aufrappeln konnte, war Radduk da. Das Messer zischte durch die Luft, verfehlte nur knapp sein Gesicht. Robert rollte sich auf die Seite, kam aber nicht weg und spürte plötzlich einen scharfen Schmerz im unteren Rücken. Radduk stach ihm das Messer in die Niere.
Er schrie auf, wurde nach vorn geschleudert und landete im hereinfallenden Schnee an der Haustür. Der Schmerz war enorm, raubte ihm die Sinne und die letzte Kraft. Er schaffte es nicht, kam nicht hoch. Seine Arme versagten den Dienst, seine Ellenbogen gaben unter seinem Gewicht nach. Als er sich auf den Rücken drehen wollte, spürte er, wie Radduk seine Füße griff. Robert wollte sich befreien, doch jede Bewegung ließ eine heiße Welle des Schmerzes durch seinen Körper fahren. Radduk hielt ihn eisern an den Fußgelenken gepackt und zog ihn von der Haustür weg. Zunächst begriff Robert es nicht, doch dann merkte er, dass er zum Keller gezogen wurde.
Rechts saß Johann und starrte zu ihm hinüber. Der alte Mann öffnete und schloss den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen. Robert versuchte, sich mit den Händen an der Treppe festzuhalten, erreichte sie aber nicht. In den Fugen der Fliesen brachen seine Fingernägel ab. Unbeirrt zog Radduk ihn weiter auf die Kellertür zu. Bevor Johann hinter der Treppe aus seinem Sichtfeld verschwand, sah Robert, dass er eine Schachtel aus seine Jacke gezogen hatte. Er hielt sie in kraftlosen Fingern. Es waren die langen Streichhölzer, die er zum Anzünden seiner Pfeife benutzt hatte.
Plötzlich wurden seine Füße losgelassen. Mühsam drehte Robert sich um, sah, wie Radduk die Kellertür öffnete. Er riss sich zusammen und robbte vorwärts. Irgendwo musste doch die Waffe liegen. Die Waffe war seine Rettung, er musste sie nur finden. Kaum einen Meter weit war er gekommen, als Radduk abermals nach ihm griff. Robert wehrte sich trotz der heftigen Schmerzen, doch der Sturz von der Treppe und der Blutverlust hatten ihn geschwächt. Er konnte gegen Radduk nichts ausrichten. Unaufhaltsam wurde er auf die geöffnete Kellertür zugezogen. Auf den hellen Fliesen der Diele sah Robert eine blutige Schleifspur.
Sein eigenes Blut.
34
Kristin trat auf die Bremse. Mit Johanns Wagen so hoch oben in der Einfahrt hatte sie nicht gerechnet. Das ABS sorgte zwar dafür, dass die Räder nicht blockierten, auf der abschüssigen Einfahrt begann der Wagen aber trotzdem unaufhaltsam zu rutschen, wurde schneller und schneller. In ihrer Panik verriss Kristin das Steuer. Langsam brach das Heck nach rechts aus, und während Kristin schrie und sich erneut am Lenkrad festklammerte, krachte Jeepi mit der linken Tür in das Heck des Daimlers.
Kristin war nicht angeschnallt. Sie schlug mit der Stirn auf den Rand des Lenkrads, die Haut platzte über der rechten Augenbraue auf. Als sie
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