Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
Vom Netzwerk:
Rücksitz des Landrovers döste. Das weite, mit Gebüsch durchsetzte Grasland erstreckte sich in alle Richtungen bis hin zu einer langen Reihe niedriger Hügel. Sie rumpelten auf Holzbrücken über Bäche und kamen an Gruppen ungewöhnlicher Bäume vorbei, die, wie Joseph sagte, Blätter wie Sandpapier hatten. In der Ferne glitzerte Wasser auf. »Das ist der berühmte Parimasee. Sie haben von Sir Walter Raleighs El Dorado gehört?«
    »Ja.«
    »Das soll der See sein, in dem der vergoldete Mann erscheint.« Joseph setzte die Fahrt ohne einen weiteren Blick auf den See fort.
    »Und glauben Sie, dass die Geschichte über die verborgene Goldstadt stimmt?«, fragte Madi und versuchte, sich ein Kasino und ein Hotel dort beim See vorzustellen, ein modernes El Dorado für Spieler und Leute mit viel Geld.
    Joseph grinste, nahm die Hände kurz vom Steuer und hob sie mit einer fragenden Geste.
    »Wer weiß? In Guyana gibt es immer noch viele Geheimnisse. Vieles, was vermutlich nie erforscht wurde. Aber es ist eine gute Geschichte für Besucher unseres Landes … die verlorene Goldstadt von Guyana.«
    »Joseph, haben Sie von einem Plan gehört, unter dem Namen Amazonia ein Kasino dort am See zu bauen?«
    Joseph warf ihr einen neugierigen Blick zu. »Ich habe drüben hinter der Grenze in Boa Vista ein Gerücht gehört, aber da hört man viele wilde Geschichten. Was wissen Sie davon?«
    »Nichts weiter, wohl auch nur ein Gerücht«, sagte Madi, der klar wurde, dass sie, wenn sie mehr sagte, ihr Versprechen gegenüber Sasha St. Herve brechen würde, die Sache vertraulich zu behandeln.
    »Ein Kasino, das die Goldstadt neu erschaffen würde, eh?«, sinnierte Joseph. »Klingt mir eher wie ein Luftschloss, das sich jemand erträumt.«
     
    Zwei Stunden später veränderte sich die Landschaft. Sie fuhren in ein dicht bewaldetes Gebiet, und die holprige Straße wurde zu wenig mehr als einem Pfad. Sie kamen nur langsam voran, erreichten aber schließlich wieder freies Gelände. »Hier beginnt Caraboo«, sagte Joseph.
    »Sieht aus wie gutes Weideland«, meinte Connor, aber bald darauf fuhren sie durch ein Gebiet mit Sumpf und überfluteten Wiesen. Überall waren flache Tümpel, und auch der Weg war vom Wasser überspült, aber Joseph fuhr fröhlich spritzend hindurch, als befände er sich auf einem Highway.
    Connor beugte sich vor, legte die Hand auf Madis Nacken und spielte mit einer ihrer Haarsträhnen, während er aus dem schlammbespritzten Fenster schaute. »Hier findet uns keiner«, flüsterte er.
    »Dich bestimmt nicht, wenn du weiter solche Witze machst. Es ist ein herrliches Abenteuer. Besser, als Banker zu spielen, was?«
     
    Kurz vor ihnen tauchte auf einer kleinen Anhöhe eine Hütte auf, bei der ein Indio auf sie wartete. Als sie auf ihn zurauschten, erhob sich etwas aus dem hohen Gras und sprang hinter einem Baum hervor. Im ersten Moment meinte Madi aus den Augenwinkeln eine Gazelle wahrzunehmen, ein Reh, ein lang gestrecktes, graziöses Geschöpf. Sie sah genauer hin, und es war eine hoch gewachsene, schlaksige Frau, die lachend und winkend durch das Wasser auf sie zugeplatscht kam.
    Joseph grinste. »Das ist Kate. Gott weiß, was sie jetzt wieder gemacht hat.« Er hielt an der palmgedeckten Hütte und begrüßte den Indio herzlich. Connor und Madi sprangen aus dem Wagen und sahen Kate McGrath entgegen, die mit großen Sprüngen durch das Buschwerk kam. »Madi«, sagte Connor, während er das Spektakel betrachtete, »ich glaube, hier gefällt es mir. Hast du je so jemanden wie diese Frau gesehen?«
    Die Frau war fast zwei Meter groß und dünn wie ein Schilfrohr, hatte sonnengebräunte Haut und trug bis zu den Knien hochgerollte Khakihosen, ein rehbraunes Hemd mit einem breiten Ledergürtel und feste Ledersandalen. Ihr Haar war auf dem Kopf mit einem roten Tuch zusammengebunden. Ihr Lachen schallte durch die Luft, als sie über das unter Wasser stehende Gras auf sie zugestapft kam.
    »Willkommen in Caraboo.« Sie streckte ihre langen Arme aus und schüttelte ihnen mit festem Griff die Hand. Ihre Stimme war tief und kehlig, ihre Aussprache sehr kultiviert, aber Madi war am meisten fasziniert von ihrem Gesicht, das sie sofort als einzigartig einstufte. Eine breite, feste Kinnpartie, unglaublich hohe Wangenknochen und haselnussbraune, weit auseinander stehende Augen. Kate hatte ein breites Lächeln und ebenmäßige weiße Zähne. Kein Gramm Fett schien an ihr zu sein, und die Straffheit ihres feinknochigen Gesichts ließ

Weitere Kostenlose Bücher