Der Gesang des Wasserfalls
keine Runzeln oder schlaffe Hautpartien zu. Fältchen, die sich unter ihren Augen und zwischen ihren Augenbrauen eingegraben hatten, sowie zwei tiefere, die von der Nase herab zum Mund führten, deuteten auf ihr Alter hin. Sie trug kein Make-up, und Connor dachte, was für eine Schönheit sie einst gewesen sein musste und immer noch war.
»Ich bin so froh, dass Sie gekommen sind, und Sie haben Post mitgebracht. Das sind in der Tat gute Nachrichten – zumindest hofft man das.« Sie lachte glucksend und winkte, als Joseph Säcke aus dem Auto zu laden begann, dem stoisch aussehenden Indio zu, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte. »Dali, komm her. Hilf ihm mit den Säcken.« Sie wandte sich zu Madi und Connor und lächelte sie breit an. »Wir sind von Wasser eingeschlossen, also haben Sie Glück. Obwohl es länger dauert, ist die Bootsfahrt viel malerischer.« Sie deutete auf ein hölzernes Langboot mit einem alten Außenbordmotor, das ans Ufer gezogen war.
Als die Säcke und das Gepäck verstaut waren, zog Kate mit Kapok gefüllte Rettungswesten in verblichenem Orange hervor. »Das ist Vorschrift. Jetzt machen Sie es sich bequem. Joseph, übernimm du das Steuer. Dali, du setzt dich in den Bug und hältst Ausschau.« Dann fügte sie zu ihren Gästen gewandt hinzu: »Er ist der Einzige, der den Weg kennt.« Leichtfüßig stieg sie in das Langboot, in dem mehr als ein Dutzend Leute Platz gehabt hätten.
Connor und Madi saßen nebeneinander Kate gegenüber, die sich an einer Kühlbox zu schaffen machte, während sie auf das sumpfige Wasser hinausfuhren. Eine mit Punsch gefüllte Rumflasche kam zum Vorschein. Sie reichte ihnen Plastikbecher mit dem kräftigen Gebräu. »Haben Sie zu Mittag gegessen?«
»Ich hatte einen Schokoriegel«, sagte Madi.
»Ich habe geschlafen«, meinte Connor. Kate griff nach einem Plastikbehälter. »Hier sind ein paar Kekse. Später gibt es ein ordentliches Essen.« Sie hob ihren Becher. »Ein Toast – willkommen in Caraboo, möge es für Sie eine Bereicherung sein.«
Madi und Connor stießen mit den Plastikbechern an und tauschten ein leises Lächeln aus. Kate strahlte und reichte Joseph einen Becher Punsch und Dali, der im Bug hockte und aufmerksam das vor ihnen liegende Wasser betrachtete, die Keksbüchse. Schweigend und ohne sich umzuschauen, holte er sich eine Hand voll heraus.
Vorsichtig steuerten sie durch überflutete Kanäle, durch kleine Seen und in einen Bach hinein, der bald zum Fluss wurde. Madi konnte sehen, wo er über die Ufer getreten war und das umliegende Land in Besitz genommen hatte.
Connor war bezaubert von der unkonventionellen Art dieses Trips, sehr zu Madis Freude. »Ich fühle mich ein bisschen wie der alte Sir Walter auf dem Vorstoß in einen unerforschten Kontinent.« Er wandte sich an Kate. »Gehört das alles hier Ihnen? Wie kommen Sie mit der Isolation und der Arbeit zurecht?«
Kate warf den Kopf zurück und lachte. »Ich bin nicht allein, ich lebe in einer Gemeinschaft von fünfzehn Menschen!« Sie erklärte, dass die meisten Indios, die auf ihrem Besitz lebten, in Caraboo geboren waren und es genauso als ihr Heim betrachteten wie sie. »Aber sie haben es jetzt schwerer als vor langer Zeit. Die Jagd ist nicht mehr so ergiebig, und selbst die Fische sind nicht mehr so leicht zu finden. Der Fluss wird zu stark überfischt für die großen Märkte in Brasilien. Das Gleichgewicht hat sich verschoben. Für die Indios ist die Zukunft ungewiss. Momentan noch nicht so sehr für diejenigen, die hier leben, aber für Tausende von anderen ist es hart. Als Farmer könnten sie nicht überleben, so malerisch und farbenprächtig das auch für die gelegentlichen Touristen aussehen mag.«
»Gibt es denn keine Arbeit in den Städten?«
»Das sind einfache Leute, meist schlecht ausgebildet. Sie sind keine Stadtmenschen. Ja, die jungen Leute werden von den strahlenden Lichtern angelockt, aber sie haben es schwer dort ohne die Unterstützung ihrer Familie und des Dorfs. Oder sie verdingen sich als Hauspersonal, in den Goldminen oder auf Farmen hier und in Brasilien. Dann fällt es ihnen schwer, dem Warenangebot zu widerstehen, und es fließt wenig oder gar kein Geld zurück in die Dörfer.«
»Es ist das Gleiche wie bei allen Minderheiten von Eingeborenen auf der Welt«, sagte Connor mitfühlend. »Sie hören sich an wie eine Anhängerin von Xavier.«
Kate lächelte. »Der politische Evangelist der Indios, ja, ja! Das aufbrechende Gewissen des Landes.« Sie
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