Der Gesang des Wasserfalls
wandte sich Connor an Johns.
Johns nickte. »Man kümmert sich darum. Natürlich müssen sie diskret und vorsichtig vorgehen.«
»Wird das irgendwas bringen?«, fragte Madi frei heraus.
»Warten wir es ab und genießen wir erst mal den Umzug, ja?«, lächelte Johns.
In der Ferne gingen Feuerwerkskörper hoch, und Jubel brandete auf. Der Karnevalszug näherte sich, und im mitreißenden Rhythmus der Musik fuhr eine Band nach der anderen in prächtiger Aufmachung auf kunstvoll geschmückten Wagen vorbei. Jede Steelband hatte ihren eigenen Klang, und die Musiker in ihren wilden und verrückten Kostümen droschen tanzend und hüftschwingend auf ihre Trommeln ein.
Die witzige Dekoration vieler Wagen rief Jubel und Gelächter hervor, da keiner der nationalen Würdenträger oder der allseits bekannten Organisationen dem bissigen Humor auf den Spruchbändern und Schautafeln der Calypsosänger und -tänzer entging.
Es gab tanzende Männer auf Stelzen, verkleidet als Spielzeugsoldaten in langen, gestreiften Hosen oder Krinolinen und Pantalons, unter denen die Stelzen verborgen waren.
Die Tänzerinnen trugen freizügige, kaum etwas verhüllende Pailettenkostümchen, überladene Ballgewänder und fransenbesetzte Rumbakleider, die ihre Beine frei ließen, und alle hatten sie hoch aufgetürmte und höchst ausgefallene Frisuren.
»Kommt mir vor wie eine Kreuzung zwischen dem Karneval in Rio und dem Mardi Gras der Schwulen und Lesben in Sydney, nur ist die Musik besser«, brüllte Matthew Madi zu.
Gelenkige Limbotänzer verrenkten ihre Körper und schoben sich mit weit gespreizten Gliedern unter unglaublich tief hängenden Stangen hindurch, ihre Köpfe streiften dabei fast den Boden.
»Sie sehen wie Spinnen aus«, bemerkte Madi, und Sharee nickte.
»Man sagt, Limbo stammt von den Sklavenschiffen, auf denen sie ihre Körper so verrenken und verdrehen mussten, um überhaupt Platz zu haben. Außerdem sind Spinnensagen mit dem Limbotheater verbunden.«
»Nichts ist hier so, wie es auf den ersten Blick erscheint«, grinste Madi.
Hemmungen wurden beiseite geschoben, und die Zuschauer bewegten sich hüftschwingend zu den elektrisierenden Rhythmen der Steelbands, während andere auf der Stelle tanzten oder sich der Parade anschlossen.
Die meisten Teilnehmer des Umzugs trugen grell bemalte Masken, absonderliche Kreationen aus Mythos und Fantasie.
Eine ganz anders klingende Musik kündigte den nächsten Teil des Zuges an. Trommeln und Flöten erklangen durch den Jubel, als eine große Indiogruppe, angeführt von Xavier Rodrigues, sich näherte und eine neue Flagge vor sich hertrug, die mit Indiosymbolen geschmückt war und die neun Stämme unter den Umrissen eines Baums vereinte.
Die Menschen aus dem Wald bildeten einen starken Kontrast zu der glitzernden Extravaganz der Calypsotänzer. Ihre Gesichter waren blau, weiß, rot und gelb bemalt, einige trugen einen Federkopfschmuck, und sowohl Männer wie Frauen hatten nackte Oberkörper und waren nur mit ihren traditionellen Lendenschurzen und einfachem Schmuck aus Knochen und Perlen bekleidet. Die Frauen hielten Körbe, Tontöpfe und
matapee
-Pressstrümpfe in den Händen. Die Männer waren mit den traditionellen Speeren, Pfeil und Bogen und Blasrohren bewaffnet. Sie bewegten sich im Gleichschritt, in einem langsamen, schlangenartigen Rhythmus, trittsicher, das Spiel der Muskeln an Beinen und Armen ein Zeichen für ihre Kraft und Geschmeidigkeit. Mit breitem Grinsen richteten die Männer gelegentlich einen Pfeil, ein Blasrohr oder einen Speer auf die Menge, was Schreie und Gelächter hervorrief. Kevin nahm alles mit seiner Videokamera auf.
Keiner konnte sich später an den genauen Moment erinnern … keiner konnte eindeutig sagen, wer es gewesen war … aber gleich darauf war die Ehrentribüne nur noch ein verschwommenes Gewirr aus Farben und Chaos.
Aus der Mitte der indianischen Tänzer hatte sich ein Blasrohr erhoben und im Bruchteil einer Sekunde einen Giftpfeil abgeschossen. Kein versehentlicher Schuss, sondern genau gezielt auf den Hals von Rashid Bacchus, der sich an die Kehle griff und seitlich wegkippte, tödlich getroffen.
Nachdem die Schreie und die Panik auf der Tribüne allgemeines Entsetzen verbreitet hatten, verlagerte sich die Aufmerksamkeit von der Parade auf das furchtbare Geschehen. Aber die Tänzer schlurften weiter voran, nach wie vor im Gleichschritt, ohne bemerkt zu haben, was passiert war.
Connor griff nach Madis Hand. Polizeipfeifen schrillten
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