Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
Vom Netzwerk:
House
, das saftige Grün des Rasens und die Aussicht auf den Fluss dahinter. Das Leben war herrlich. Ihm gefiel dieser Ort, dieses Land. Er empfand ein überwältigendes Gefühl des Wohlbefindens und beschloss, Madison zu überreden, herzukommen und ihn zu besuchen.
    »Was gibt's zum Frühstück, Shanti? Ich verhungere!«
    In diesem Moment ertönte ein Schrei. »Da ist er ja! Himmel, Matthew, was ist mit dir passiert?« Kevin kam auf ihn zugerannt. Mehrere andere Männer tauchten um das Gästehaus und an den Fenstern zur Einfahrt auf.
    »Ach du lieber Himmel, ihr habt nach mir gesucht. Tut mir leid.«
    »Zuerst dachten wir, du wärst ermordet worden. Dann sahen wir die Fledermaus und dachten, du würdest verbluten oder wärst in den Fluss gefallen. Die Männer fingen an, uns diese schrecklichen Horrorgeschichten zu erzählen.«
    Johns kam zu ihnen. »Sie haben uns einen ganz schönen Schreck eingejagt, Matthew. Aber Sie sehen aus, als ginge es Ihnen gut. Wo waren Sie? Ich habe versucht, hier am Ort einen Arzt zu finden, falls Sie sich vielleicht in ärztliche Behandlung begeben hätten.«
    »Gibt es denn hier einen Arzt?«
    »Nicht ständig.«
    »Shanti hat mich zum Obeah-Mann gebracht. Pundit Silk. Schätze, ich hatte mehr Blut verloren, als ich dachte. Ich bin ohnmächtig geworden, glaube ich. Aber jetzt geht es mir bestens.«
    »Sind Sie sicher?« Johns sah Shanti nach, die im Kücheneingang des Hauses verschwand. »Diese Medizinmänner können recht … dubios sein.«
    »Was hat er mit dir gemacht? Riecht ein bisschen komisch.« Kevin betrachtete Matthews Halsverband.
    Matthew wollte nur ungern von seinem Erlebnis erzählen. Das alles kam ihm jetzt wie ein seltsamer Traum vor. Er zog den Verband etwas zur Seite und zeigte ihnen die Bisswunde an seinem Hals, die jetzt nur noch leicht gerötet war. »Es war nicht leicht, die Blutung zu stoppen. Er benutzte anscheinend etwas, das bei der Blutgerinnung hilft. Heute nacht mache ich bestimmt mein Fenster zu.«
    »Die Viecher sind hier eher selten. Eine Chance von einer Million zu eins. Ich hoffe, das nimmt Sie nicht gegen dieses Land ein«, sagte Johns.
    »Komisch, genau das Gegenteil ist passiert. Ich fühle mich sogar, als wäre ich irgendwie high. Begeistert darüber, hier zu sein, kann es gar nicht erwarten, in das pralle Leben von Guyana einzutauchen …«
    Alle lachten und gingen zum Speiseraum.
    »Der Toast und der Speck riechen aber gut«, verlautete Kevin.
    »Ich gehe nur schnell duschen und bin gleich wieder da«, sagte Matthew.
    Unter dem heißen Wasser zu stehen war eine Erleichterung. Matthew wollte das tote Wasser abwaschen und was sonst noch auf seiner Haut war. Aber sein Gefühl der Euphorie verging nicht, und er konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass Guyana ein äußerst bedeutsames Erlebnis in seinem Leben werden würde.

[home]
    Viertes Kapitel
    D er Umschlag war ziemlich dick. Madison betrachtete die großen, bunten guyanischen Briefmarken. Auf einer war eine purpurrote Orchidee abgebildet –
Cattleya violacea, Königin der Orchideen
, war in kleinen Buchstaben aufgedruckt. Die andere zeigte einen seltsamen Vogel –
Opisthocomus hoatzin (Canje-Fasan), Nationalvogel von Guayana
 –, der wie ein prähistorisches Reptil mit Flügeln aussah. Die kleinen bunten Vierecke vermittelten ihr ein Gefühl der Vorfreude und Erregung. Um möglichst lange etwas davon zu haben, steckte sie den ungeöffneten Umschlag in ihre Handtasche. Den Brief ihres Bruders wollte sie bei einem Cappuccino genießen.
    Sie kam sich regelrecht verworfen vor, während sie durch die Boutiquen schlenderte und überlegte, ob sie sich ein neues Kostüm für die Arbeit kaufen sollte. Zum ersten Mal, seit sie denken konnte, machte sie heute blau, blieb ohne wirklichen Grund der Arbeit fern. Nun ja, sie hatte schon einen Grund, wenn er auch sehr persönlich war und weder ihrem Chef noch dem Arzt gefallen würde. Sie war aus dem Gleichgewicht. Es war keine Erschöpfung oder Depression oder das Gefühl, mit etwas nicht fertig zu werden. Das Leben kam ihr inhaltslos vor. Ohne wirklichen Sinn. Nur das Abspulen einer täglichen Routine.
    Wie zum Beweis ihrer Apathie gefiel ihr nichts von dem, was sie anprobierte, auch wenn einiges davon durchaus attraktiv aussah. Die Sachen standen ihr, aber sie konnte nicht den nötigen Enthusiasmus aufbringen, irgendetwas davon zu kaufen, sehr zur kaum verhohlenen Enttäuschung der Verkäuferin. Dann fiel ihr Blick auf die Auslage eines

Weitere Kostenlose Bücher