Der Gesang des Wasserfalls
veränderte sich nicht. »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Was haben Sie denn dort gemacht?«
»Mir nur eine Hängematte gekauft«, sagte Madi beiläufig. »Erinnern Sie sich an Connor Bain?« Die beiden Männer nickten einander zu, und Connor berührte Madi am Ellbogen. »Unser Lunch ist serviert. Entschuldigen Sie uns, Antonio.«
»Genießen Sie Ihren Lunch. Wir sehen uns heute Abend.«
»Natürlich«, sagte Connor über die Schulter. »Immer dieselben Leute, nur der Klatsch ändert sich.«
»Da haben Sie Recht«, rief Antonio mit einem beipflichtenden Lachen.
»Ein charmanter Mann, nicht?«, sagte Madi leise. »Südamerikanischer Charme, nehme ich an. Was macht er eigentlich wirklich?«
»Taucht überall auf«, erwiderte Connor mit einem Grinsen. »Nein, im Ernst, er ist der größte Lieferant von schweren Maschinen für die Minen. Und von Ersatzteilen. Scheint auch gute Verbindungen in der Politik zu haben, zu Leuten wie unserem Wochenend-Gastgeber, dem Oberst. Aber andererseits, wenn man solche Verbindungen nicht hat, kann man in Ländern wie diesem keine Geschäfte machen.«
Connor und Madi nahmen im Speisesaal Platz, der wie die Kulisse eines Films aus dem Indien der zwanziger Jahre zu Zeiten des britischen Raj wirkte: schwere Mahagonistühle, Silberbesteck, auserlesenes Porzellan, gestärkte Leinenservietten. Die Suppe wurde sofort serviert.
»Festgelegtes Menü?«, fragte Madison mit professionellem Interesse.
»Fürchte ja. Gehört mit zum Charme des Ganzen.«
Zum ›Charme‹ gehörte außerdem ein Hauptgang, bestehend aus Roastbeef mit drei Gemüsen und Bratensoße, zu dem in Kristallschälchen Worcestersoße, Senf, Pfeffer und Salz gereicht wurden.
»Und was ist nun dieses interessante Thema, dass Sie mir zum Lunch versprochen hatten?«, erinnerte ihn Madi, als sie sich dem Hauptgang widmeten.
»Sie.«
»Wie langweilig.«
»Bestimmt nicht so langweilig wie meine Wirtschaftslektion im Auto.«
»Na ja, die Grundzüge kennen Sie bereits. Hotelgewerbe. Jung geheiratet, geschieden, durch Schaden klug geworden, wie ich hoffe, jetzt hier, um wunderschöne Ferien zu verbringen, in der Hoffnung, danach in London oder einer vergleichbaren Stadt groß einzusteigen.«
»Also eine engagierte Karrierefrau.«
Madison nahm einen Schluck von dem eisgekühlten Wasser und dachte über diese Bemerkung nach. »Nun, ja und nein. Mir will nicht einleuchten, wieso man nicht beides haben kann. Ich nehme an, das hängt davon ab, ob man den richtigen Mann und den richtigen Job findet. Und das ist heutzutage viel verlangt.«
»Und wie sieht Ihre Definition des richtigen Mannes aus?«
»Jemand, der ganz anders ist als der letzte. Er muss rückhaltlos offen sein, ehrlich, kommunikativ und vor allem Respekt für das haben, was ich bin und was ich erreichen will.«
»Wo werden solche Männer gemacht?«, witzelte Connor.
»Ich weiß es nicht genau, aber diesmal werde ich die Augen offen halten.« Sie legte Messer und Gabel ab und ließ das meiste auf dem Teller liegen als Kommentar für das verkochte Essen. Eine Kellnerin nahm sofort den Teller weg, und Madison stützte ihre Ellbogen auf den Tisch und beugte sich zu Connor vor. »Erzählen Sie mir von Ihrem Liebesleben.«
Connor verschluckte sich an der Kartoffel, von der er gerade einen Bissen genommen hatte, und griff hastig nach der Serviette und dem Wasserglas. Als er sich wieder gefasst hatte, meinte er: »Jetzt verstehe ich, was Sie mit kommunikativ und rückhaltlos offen meinten. Habe ich Zeit genug, mir die richtige Antwort zu überlegen?«
»Richtig für Sie oder für mich? Und … kennen wir uns gut genug dafür?«, grinste Madi.
»Der Nachteil meiner Arbeit sind die Reisen, die ich sehr schätze, aber sie sind einer dauerhaften Beziehung nicht gerade förderlich. Ich denke, ich stelle den Beruf über …«
»Das machen Männer immer«, unterbrach Madi, aber Connor ging nicht auf diese Spitze ein.
»Also ich halte genau wie Sie die Augen für alle Möglichkeiten offen. Ganz davon abgesehen, ist das nicht die Art persönlicher Frage, die eine Karrierefrau stellen sollte. Warum sind Sie an meinem Liebesleben interessiert?«, konterte er mit einem Grinsen.
»Mich interessiert die menschliche Natur. Die Prioritäten ändern sich. Es ist heutzutage schwer einzuschätzen, zu welcher Kategorie man gehört … falls einen das überhaupt interessiert. Meine Mutter wuchs im Zeitalter der Superfrau auf, die alles haben wollte. Sie gab ihre
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