Der Gesang des Wasserfalls
Visionen, Träume und Erwartungen auf, um sich ihrer Familie zu widmen, war aber unterschwellig unzufrieden und verbittert, weil ihr etwas entgangen war. Das ist nur eine Vermutung, sie hat es nie laut ausgesprochen. Aber jetzt haben sie und mein Vater zusammen ein Geschäft aufgemacht, und sie sind sehr glücklich.«
»Kommt daher Ihr Verlangen, alles perfekt zu machen?«
»Haben Sie diesen Eindruck von mir?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich reagiere nur auf das, was Sie sagen, nicht auf das, was Sie nach außen vermitteln. Sie wirken irgendwie verletzlich, kein Wunder nach einer Scheidung, stelle ich mir vor. Aber trotz Ihrer Pläne, das
Pierre
oder das
Georges V
zu übernehmen, wirken Sie auf mich ein bisschen unentschlossen, was Ihre Zukunft betrifft. Was ist die wirkliche Leidenschaft Ihres Lebens?«
Zum Glück für Madi kam in diesem Moment der Nachtisch. »Pudding und Eiercreme«, rief sie, gleichzeitig begeistert und bestürzt. »Ich kann es nicht glauben.«
»Offenbar werden Sie noch jahrelang von der Erinnerung an dieses Menü zu zehren haben«, sagte Connor, eindeutig enttäuscht, dass sie das Thema gewechselt hatte. »Wie schon gesagt, das ist eben der Charme. Ich bin wirklich entzückt, dass dieser Lunch ein so großartiger Erfolg geworden ist.« Madi bemerkte einen Hauch von Sarkasmus in seiner Stimme. Was hab ich denn jetzt wieder Falsches gesagt, fragte sie sich.
Während sie das Dessert probierte, hatte Madi einen Augenblick Zeit, über das Gespräch nachzudenken und zu entscheiden, ob sie mit diesem Mann über das reden wollte, was er die Leidenschaft ihres Lebens nannte. Ihre Arbeit, merkte sie, rief in ihr zwar Enthusiasmus, Ehrgeiz und Befriedigung hervor, aber niemals Leidenschaft.
Und in ihrem Privatleben gab es auch keine Leidenschaft. Ihre Ehe war eine Katastrophe gewesen. Zum ersten Mal sah sich Madi gezwungen zuzugeben, dass es nichts gab, wofür sie Leidenschaft empfand. Sie gestand: »Eine gute Frage, die Sache mit der Leidenschaft, Connor. Ich muss zugeben, dass ich tatsächlich von keiner Leidenschaft getrieben werde, wenn man von dem starken Willen absieht, meine Arbeit gut zu machen.«
»Nichts, wofür Sie sich einsetzen?«
»Zumindest in keiner Form, die man leidenschaftlich nennen könnte. Ich bin allerdings für den Umweltschutz. Wie ist es mit Ihnen? Für was setzen Sie sich ein?«
»Bei mir ist es ein Glücksfall. Meine Arbeit ist meine absolute Leidenschaft. Ich habe wirklich das Gefühl, in einer Position zu sein, in der ich vielen Menschen wie denen hier in Guyana etwas Gutes tun kann. New York ist eine aufregende Stadt als Ausgangsbasis, und der Rest der Welt ist voll neuer Abenteuer. Dauernd unterwegs zu sein ist manchmal lästig, aber es bedeutet eine ständige intellektuelle Herausforderung und einen ständig hohen Adrenalinpegel, sicherzustellen, dass nicht ein Cent vom Geld der Organisation verloren geht.«
Beim Kaffee erzählte Connor mehr von den Projekten, die er in den vergangenen Jahren betreut hatte, und Madison erkannte, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Er hing tatsächlich leidenschaftlich an seiner Arbeit, glaubte wirklich, dass er den Menschen in den Ländern der Dritten Welt half. Dass er, auf seine Art, in vorteilhafter Weise Einfluss auf die soziale Gerechtigkeit in der Welt nahm.
Doch gleichzeitig fand sie all das ein bisschen beunruhigend, trotz der Bewunderung, die sie für diesen gut aussehenden, zuvorkommenden, fähigen Mann, der ihr da gegenübersaß, zu empfinden begann. Irgendetwas stimmte nicht. Sie konnte es nicht genau benennen, aber etwas an dieser bedingungslosen Hingabe an die Arbeit bereitete ihr Unbehagen. Na ja, vielleicht machte sich auch nur ihre alte Paranoia wieder bemerkbar.
Die Rechnung wurde auf einem kleinen Tablett gebracht, überragt von einer aufdringlichen Brosche aus Plastik und imitierten Rheinkieseln, die an einem enormen Busen befestigt war. Zumindest war es das, was Connor zuerst sah, bevor er zu der strahlenden Guyanerin aufsah, die während des Lunchs als Oberkellnerin fungierte.
Als er die Quittung abzeichnete, warf Connor Madi einen raschen Blick zu und sah ein Lächeln in ihren Augen. Er hatte sich in Madis Gesellschaft sehr wohl gefühlt und hoffte, während ihres Aufenthaltes noch öfter mit ihr zusammen sein zu können. Er würde sich überlegen, wohin er sie ausführen könnte – er traf sich gern mit interessanten Frauen, wenn sich auf diesen entlegenen Außenposten die Gelegenheit dazu
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