Der Gesang des Wasserfalls
wie klar die Sterne waren, nahm dann abwesend noch einen Schluck und wurde plötzlich der feuchtwarmen Luft auf ihrer Haut gewahr. Gleichzeitig bemerkte sie, dass sich auf der Veranda eines anderen Gästehauses mehrere Leute mit leiser Stimme unterhielten und gelegentlich auflachten. Neugierig trat sie auf den Rasen hinaus, lauschte und schlich dann noch näher. Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie die im Kerzenlicht Sitzenden etwas deutlicher erkennen.
Um den Tisch war eine konzentrierte Aktivität im Gange. Auf einem zweiten Tisch, der näher zu ihr stand, warteten Linien weißen Pulvers darauf, durch einen Strohhalm in die Nase hochgezogen zu werden, daneben stand ein offenes Pillenfläschchen und fertig gedrehte Zigaretten lagen griffbereit da. Jemand hustete, schniefte, und ein Streichholz wurde entzündet.
»Himmel, die nehmen Drogen. Hartes Zeug«, flüsterte Madi vor sich hin, als sei der Klang ihrer Stimme notwendig, um die Realität von einem Alptraum zu unterscheiden.
Verängstigt wandte sie sich um, hastete stolpernd zurück in ihren Bungalow und verschloss die Tür. Im Dunkeln setzte sie sich aufs Bett, umschlang ihre Schultern mit den Armen, um ihr Zittern unter Kontrolle zu bringen, und versuchte, sich die Szene, deren Zeugin sie geworden war, erneut vor Augen zu rufen, den Gestalten, die sie im Schatten nicht hatte erkennen können, Gesichter zu verleihen.
Schließlich hatte sie sich so weit beruhigt, dass sie wieder unter die Decke schlüpfen konnte, aber es dauerte Stunden, bis sie in einen unruhigen Schlaf fiel.
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Achtes Kapitel
W ie bei einem schlechten Traum, der im Sonnenlicht zusammenschrumpft, kam Madi das Erlebnis der letzten Nacht beim Aufwachen weniger beängstigend vor. Aber sie konnte das unheilvolle Gefühl immer noch nicht abschütteln. Wenn sie sich auch nicht selbst bedroht fühlte, so war sie doch zutiefst verstört von der Erkenntnis, dass so viele der Leute, mit denen sie hier das Wochenende verbrachte, harte Drogen nahmen.
Sie fragte sich, ob nur sie etwas davon wusste, und machte sich auf den Weg zu Matthews Bungalow, um ihm einen Spaziergang vor dem Frühstück vorzuschlagen. Ihr Bruder sah sofort, in welcher Stimmung sie war. »Was bedrückt dich?«
Rasch beschrieb Madi die Szene, die sie letzte Nacht auf der Veranda beobachtet hatte. »Was sollen wir bloß machen, Matt?«
»Machen? Wir machen gar nichts, Madi. Das hat nichts mit uns zu tun. Wenn sie das wollen, dann lass sie. Wir haben nichts damit am Hut, so viel ist sicher, und das wissen sie vermutlich. Sie kommen hierher, um sich mit Drogen voll zu pumpen, nehme ich an. Da sie es uns nicht aufdrängen, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
»Glaubst du, dass sonst noch jemand davon weiß?«
»Von unserer Gruppe? Das glaube ich nicht. Die Frauen sind als erste zu Bett gegangen, und Connor, Kevin und ich bald danach. Am besten tun wir so, als ob wir nichts wüssten. Es ist ihr Land, ihr Umfeld und, wie gesagt, sie drängen es uns nicht auf.«
»Aber ich fand es doch unangenehm. Ich habe nie was mit Drogen zu tun gehabt. Du etwa?«, fragte Madi.
»In meiner wilden Jugend hab ich ein bisschen Marihuana geraucht, und vor ein paar Jahren in Mexiko hab ich einen von diesen Magic Mushrooms versucht, was so schrecklich war, dass ich ein für alle Mal die Nase davon voll habe.«
»Was ist denn passiert?«
»Ein schlechter Trip – Halluzinationen, unheimliche und grausige Visionen, keine Ahnung mehr von Zeit und Raum, ich wusste nicht mehr, wo ich mich befand oder wer ich war. Ich habe immer nur auf meinen Körper geschaut und gesehen, wie Teile von mir wegschmolzen oder explodierten. Es war, als würde mein Inneres nach außen gekehrt – meine Haut wurde nach innen gesaugt und meine Eingeweide fielen heraus, bliesen sich auf und zerplatzten. Als würde man in seinen eigenen Eingeweiden ertrinken.«
»Wie eklig.«
»Ja. Ich würde es keinem empfehlen. Aber diese Leute schnupfen offensichtlich Kokain und nehmen schicke Designerdrogen. Gesellschaftsfähiger, als sich in einem öffentlichen Klo einen Schuss zu setzen«, grinste Matthew.
Madi brauchte einen Moment, um das Gesagte zu verdauen, blieb stehen, pflückte eine Blume vom Wegrand und roch daran. »Ich nehme an, dass es hier eine weitverzweigte Drogenszene gibt. Man hört so viel über die Drogenkartelle in Südamerika, Drogenbosse und all das. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, das sozusagen auf meiner eigenen
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