Der Gesang des Wasserfalls
willkommen. Wer will als nächster? Das Wasser ist genau richtig, aber ich warne euch, Ann fährt Boote kaum weniger rasant als Rennwagen.«
»Ich versuch's mal«, sagte Kevin rasch und zog sein Hemd aus. »Hab meine Badehose schon an. Bin früher auf dem Hawkesbury River in Sydney Wasserski gefahren«, meinte er grinsend zu Matthew und Madi.
Ann rief vom Boot, sie sollten ihre Sachen in der Hütte abstellen und sich selbst etwas zu essen und zu trinken nehmen.
»Wir haben gerade gefrühstückt«, rief Connor zurück.
»Na gut, dann lasst uns hinaufgehen und ein kühles Bier trinken«, sagte John und führte sie zum Haus. Madi stellte amüsiert fest, dass er die Sache mit dem Bier durchaus ernst gemeint hatte, trotz der frühen Stunde. Als sie sich auf der Veranda des Hauses der da Silvas niedergelassen hatten, vergewisserte sich John, dass alle mit Getränken versorgt waren und ließ sich dann in einen Liegestuhl fallen.
»Alles sehr romantisch«, sagte er. »Wenn der Tourismus hier erst mal in Gang kommt, wird ein Ort wie dieser ein Höhepunkt für Besucher sein.«
»Wird der Tourismus denn wirklich in Gang kommen?«, fragte Connor.
»Ganz bestimmt«, erwiderte John zuversichtlich. »Jeder ist doch auf der Suche nach neuen Touristenattraktionen, nach den letzten unberührten Gegenden. Es wird nicht lange dauern, bis die Reiseveranstalter entdecken, dass wir hier in diesem Land etwas zu bieten haben, das es wert ist, Reisende herzukarren. Trotz aller Unzulänglichkeiten ist Guyana nach wie vor relativ stabil und sicher, das müssen Sie zugeben.«
»Aber es hapert an der Infrastruktur für Tourismus in großem Stil«, warf Madi ein. »Man kann nicht für ein Reiseziel werben, das anders ist, wenn man nicht die richtigen Unterbringungsmöglichkeiten und den Service bieten kann, den Touristen erwarten.«
»Da hast du Recht«, stimmte John bereitwillig zu. »Das müssen wir nur in die Köpfe unserer Politiker hineinkriegen. Noch geht ihr Denken nicht über die Bodenschätze hinaus. Aufspüren, abbauen, exportieren scheint alles zu sein, was sie im Sinn haben.«
In diesem Moment wurde der Frieden durch das Dröhnen des Motorbootes und Kevins langen, triumphierenden Schrei unterbrochen, während er stilvollendet über das Wasser auf den Strand zurauschte. Die Gruppe auf der Veranda applaudierte begeistert, und er nahm die Huldigung mit einer übertriebenen Verbeugung entgegen.
Sharee griff das Tourismusthema wieder auf. »Dieses Land wird vermutlich nie ein zweites Hawaii, Miami oder Sun City werden, so viel ist sicher, aber es hat eine Menge Besonderheiten zu bieten. Die Natur zum Beispiel. Sie ist größtenteils unberührt, und wir haben mehr Flüsse und Stromschnellen und Wasserfälle, als man zählen kann. Klar gibt es noch wenig an touristischer Infrastruktur, aber dazu braucht man Geld. Und davon gibt es hier eine Menge, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht«, sagte sie.
»Was meinst du damit?«, fragte Madi.
»Gewisse Leute haben Zugang zum großen Geld – das natürlich meist illegal erworben wurde –, aber sie geben es nicht hier aus und investieren nicht hier. Sie sacken das Geld ein und verschwinden oder gönnen sich ausgedehnte Luxusferien.«
»Sie sind sich selbst die nächsten«, bemerkte Madi mit einem Anflug von Zynismus. »Das ist auch das Credo des Obersts.«
»Ah ja, Olivera, der Undurchschaubare, der große Überlebenskünstler«, meinte John und unterbrach sich, um die Ankunft seiner Frau und Kevins abzuwarten, der die Wasserskier geschultert trug. »Wie ist denn euer Besuch bei dem großen Partylöwen auf der anderen Seite des Flusses verlaufen?«, fragte er grinsend, drückte den Finger gegen die Nase und schniefte. »Lief da … Na-ihr-wisst-schon-was?«
»John!« tadelte ihn Ann mit gespieltem Ernst. Die anderen lachten.
»Es ist ja nicht gerade ein Geheimnis«, verteidigte sich ihr Mann.
»Was?«, fragte Viti.
»Drogen«, sagte John. »Eine Menge Leute, die dort das Wochenende verbringen, koksen.«
Viti schnappte erstaunt nach Luft. »Ich habe nichts von irgendwelchem Drogenkonsum in
New Spirit
gesehen. Aber heutzutage gibt es ja überall Drogen. Nur kann ich nicht sagen, mir sei aufgefallen, dass es in letzter Zeit in der Stadt zugenommen hat.«
Matthew und Madi schwiegen, als John begann, über die sich rasch entwickelnde Drogenszene in Guyana zu sprechen. »Den kolumbianischen Kartellen wird hart zugesetzt, daher müssen sie neue Vertriebswege finden«,
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