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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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Zeit der Maurenkriege, sondern aus der Zeit des Kampfes gegen Napoleon hat meine Familie ihren adligen Namen – de Arraga y Catalania. Meine Vorfahren haben eine ganze französische Armee am Ebro geschlagen. Juan Arraga – ein kleiner Major der Königlich-Spanischen Armee, der das Kommando übernahm, als die Generäle schon verzagten. Er hat mit seinem Regiment eine ganze französische Armee geschlagen.«
    »Heute läuft das anders herum«, sagte Brenski. »Heute habe ich mit neunundzwanzig Mann eine Stellung erobert, die von fast zweihundert gehalten wurde. Und weshalb, Señor Colonel? Weil meine Leute die Motivation hatten, weil sie siegen mußten und weil eure Leute unter Zwang eingezogene Bauernburschen sind, die beim ersten Schuß ihr Gewehr wegwerfen.«
    Der Oberst nickte müde. »Aber je länger der Kampf andauert – je länger ihr die Grausamkeiten begeht wie bei Ronda, desto mehr werden aus Überzeugung zu uns kommen. Junge, tapfere Männer und reife Männer, die ihre Familie schützen wollen. Die kein rotes Spanien haben wollen, sondern eins, in dem Gott und der König, oder sei es der Präsident, und ein frei aus allen Ständen gewählter Cortes regieren.«
    »Der liebe Gott, den Sie eben erwähnten, möge Ihnen Ihre Naivität bewahren. Sie werden sie brauchen, wenn ich Sie zum Verhör nach hinten zum Stab bringen lasse.«
    »Mich wird niemand verhören.« Der Oberst blickte zur Decke hoch, faltete die Hände und betete: »Vergib mir, Herr, was ich tun werde. Aber ich muß es tun um Deines Namens willen und um meiner Leute willen, die ich sonst verraten würde. Vergib mir meine Sünden und beschütze meine Familie. Amen.« Er schloß die Augen und biß die Kiefer fest zusammen.
    Zu spät reagierte Brenski. Er sprang hinzu, öffnete mit einem Judo-Druck auf die Kaumuskeln den Mund, aber schon schlug ihm der Mandelgeruch des Gifts entgegen.
    Brenski griff nach der Zunge, zog sie heraus, klopfte gegen die Gurgel, um Brechreiz zu erzeugen, aber es war zu spät. Unter seiner Hand wurden die Muskeln schlaff. Die Augen verdrehten sich und überzogen sich mit der trüben Patina des Todes.
    Brenski trat zurück. Instinktiv faltete er die Hände, nicht wissend, was er tat.
    Gift geschluckt. Eine Ampulle zerbissen, die er im Mund verborgen gehalten hatte. Brenski hatte schon oft von diesen ominösen Kapseln gehört, aber nie daran geglaubt. Jetzt lag der Beweis vor ihm. Und jetzt konnte er sich einen passenden Vers zurechtlegen, um seinem Kommandeur in ›Geierkralle‹ zu erklären, wieso und wie der Oberst zu Tode gekommen war.
    Der Arzt wartete im Nebenraum. Seinen Augen sah Brenski an, daß er ahnte, was passiert war.
    »Warum haben Sie ihm die Kapsel nicht abgenommen?« fragte Brenski.
    »Das liegt nicht in meiner Vollmacht. Wenn ein Mensch sterben will, dann kann man ihn nicht daran hindern.«
    »Ich dachte, Sie wären Katholik?«
    »In Maßen.«
    »Ich werde Sie vor ein Kriegsgericht stellen lassen. Wegen Begünstigung des Feindes.«
    Der Arzt hob die Schultern. »Es liegt alles in Gottes Hand.«
    »Jetzt auf einmal doch?«
    »Gerade jetzt. Wenn Gott es nicht gewollt hätte, wäre der Oberst nicht gestorben.«
    »Jeder stirbt, der eine Zyankalikapsel zerbeißt. Ob nun mit oder ohne Gott.«
    »Ich muß nach den anderen Verwundeten schauen.« Der Arzt stand auf. »Kommen Sie mit? Es wird vielleicht lehrreich für Sie sein, was die jungen Burschen denken. Vielleicht korrigiert das Ihr Weltbild ein wenig.«
    »Ich hätte die größte Lust, Sie nach hinten zum Stab zu schicken.«
    »Ich kann Sie nicht daran hindern.«
    »Sind die Schwerverletzten … Ich meine, wie viele von ihnen werden sterben?«
    »Fast alle. Die Splitterverwundungen waren zu schwer. Die zehn Leichtverletzten werde ich Ihnen morgen übergeben.«
    Brenski kannte sich im Kloster noch nicht genau aus. Vor allem nicht in dem Trakt, wo die Zellen der Nonnen lagen. Er hatte Befehl erteilt, daß die Türen aufzubleiben hätten, um alles, was zu einem Akt der Sabotage führen konnte, von vornherein zu unterbinden.
    Er gestand es sich nicht ein, aber er war auf der Suche nach der Nonne, die ihn so verächtlich angeschaut hatte, diese junge Novizin mit dem klaren, ovalen, ein wenig elfenbeinolivfarbenen Gesicht. Er hätte gerne gewußt, welche Farbe ihr Haar hatte. Schwarz, wie bei den meisten Spanierinnen? Oder war sie kahlgeschoren, wie man es immer von den Nonnen behauptete? Ihre Augen waren rauchgrau, Schwalben, die dem Nachmittag seinen Atem

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