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Der Geschichtenverkäufer

Der Geschichtenverkäufer

Titel: Der Geschichtenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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hätte nichts dagegen gehabt, mit einem Mädchen, das mir gefiel, einen Abstecher in den Wald oder zum Salamanderweiher zu machen.
    Ich fühlte mich nicht einsam, denn es gab eigentlich nichts, wonach ich mich hätte sehnen können. Einsamkeit und Sehnsucht sind die Kehrseiten derselben Medaille.

    Wenn ich allein zu Hause war, machte ich gern »Juxanrufe«, wie ich sie nannte. Ganz oben auf der Liste meiner Juxanrufe standen die Taxen. Einmal bestellte ich sechs davon an ein und dieselbe Adresse auf der anderen Straßenseite. Ich fand es lustig, vor dem Küchenfenster zu sitzen und zuzusehen, wie die vielen Autos angefahren kamen. Die Fahrer sprangen aus ihren Wagen und unterhielten sich; sie glaubten sicher, sie sollten Gäste von einem Kaffeeklatsch abholen. Am Ende ging einer zur Tür und schellte. Aber offenbar wohnte in dem Haus gar keine Frau Nielsen. Ich wußte das, die Fahrer nicht. Sie fuchtelten eine Weile mit den Armen, dann setzten sie sich wieder in ihre Autos und brausten davon. Nur einer wartete weiter vor dem Haus und schaute sich um, als stände er auf einer großen Theaterbühne. Aber er konnte kein Publikum entdecken. Vielleicht dachte er, nur Gott könne ihn sehen. Ich schaute durch die Ritzen im Rollo zu ihm hinunter, lächelte, trank einen Schluck Simpsons Orangensaft - der Mann wich nicht von der Stelle. Er hätte sich doch wenigstens ins Auto setzen und das Taxameter ausschalten können.
    Ich fand es auch witzig, Taxen in andere Stadtteile zu schicken. Es war eine lustige Vorstellung, wie sie sich in Bewegung setzten und durch die Stadt fuhren, auch wenn ich sie nicht mit eigenen Augen sehen konnte. In Gedanken sah ich sie deutlich vor mir, und es war fast genauso schön. Manchmal alarmierte ich auch Krankenwagen oder Feuerwehrautos. Einmal rief ich bei der Polizei an und behauptete, im Park einen Toten gesehen zu haben. Sie wollten meinen Namen, meine Adresse und meine Schule wissen. Ich dachte mir etwas aus, das war einfach. Ich wußte, daß der Streifenwagen bei uns vorbeikommen mußte. Es dauerte nur acht Minuten, bis ich ihn sah, zwei Minuten darauf kam auch noch ein Krankenwagen. Und beide Autos gehörten mir.
    Das alles ist erinnerte Wirklichkeit, da bin ich mir ganz sicher. Das schwarze Telefon auf dem Tischchen in der Diele stellte eine konstante Versuchung dar. Manchmal setzte ich mich davor auf den Stuhl und wählte irgendeine beliebige Nummer. Vor vier Uhr nachmittags meldete sich fast immer eine Frau. Wenn ich dann eine an der Strippe hatte, verstellte ich meine Stimme und fragte zum Beispiel, wie oft sie mit ihrem Mann vögele. Oder ob sie auch mit anderen vögele. Oder ich gab mich als Kundinnen Berater für Damenbinden der Marke Saba de Luxe aus. Ich notierte mir, wie rasch die Frauen auflegten. In der Regel dauerte es etwas über zwei Sekunden, aber einmal unterhielt ich mich mit einer länger als eine halbe Stunde, dann konnte ich nicht mehr und stellte eine so unverschämte Frage, daß sie sich geschlagen geben mußte. So was hab ich ja noch nie gehört! rief sie. Natürlich nicht, dachte ich, dann legte sie auf. Ich fand, sie konnte sich glücklich schätzen, schließlich hatte sie mehr als eine halbe Stunde mit mir reden dürfen.
    Ab und zu ersann ich lange Geschichten für die Frauen, erzählte zum Beispiel, daß meine Eltern mit der Fähre nach England gereist seien und ich neun Tage allein zu Hause verbringen müsse, obwohl ich erst sieben Jahre alt sei. Ich konnte hinzufügen, daß wir uns einen Kühlschrank zugelegt hätten und Mutter ihn für mich mit Essen gefüllt habe, daß ich aber nicht wagte, etwas zu essen, weil ich mich vor den scharfen Küchenmessern fürchtete. Oder ich eröffnete das Gespräch damit, daß mein Vater auf Schneehuhnjagd sei und Mutter krank im Bett liege und kein Wort herausbringe. Ich hätte nur meinen Namen und meine Adresse zu nennen brauchen und es hätte Hilfs- und Rettungsangebote gehagelt, aber derart brisante Auskünfte konnte ich natürlich nicht geben. Da war es schon besser zu behaupten, ein kleiner Mann habe mich dazu überredet anzurufen. Er sei nur einen Meter hoch und wusele in der Wohnung herum, und wenn ich ihm nicht gehorchte, dann setze es Schläge mit seinem Stock.
    Einmal beklagte Mutter sich über die Telefonrechnung. Sie war so außer sich, daß ich sofort eine Beichte ablegte. Ich erzählte ihr, immer, wenn ich mich nachmittags langweilte, riefe ich bei der Zeitansage an. Ich tat so, als wüßte ich nicht, daß dort

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