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Der Geschichtenverkäufer

Der Geschichtenverkäufer

Titel: Der Geschichtenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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ich, und eigentlich war es ein Totentanz. Wer von einer Tarantella gestochen worden ist, kann sich zu Tode tanzen. Die Spinne war natürlich Rechtsanwalt Krogstad, darüber hatte ich nie nachgedacht, aber jetzt wußte ich es genau. Ich mußte lächeln. Es war ein Zufall, daß ich in Neapel gelandet war. Wenn es ein Schicksal gab, dann hatte dieses Schicksal Sinn für Ironie.
    Ich warf einen Blick hinunter aufs Meer und schaute mich dann wieder im Zimmer um. Meter lief ruhelos auf den Keramikfliesen hin und her. Einmal blieb er stehen und musterte mich mit gebieterischem Blick, während er mit seinem Bambusstock auf mich zeigte. Er fragte: Na, und was jetzt? Wollen wir vielleicht unsere Sünden bekennen?
    Ich packte meinen Laptop aus, setzte mich an den Schreibtisch und machte ich an den Bericht über mein Leben.
     

     

Beate

    I n der Ecke vor dem Kamin stehen zwei leere Whiskyflaschen. Ich weiß nicht, warum das Zimmermädchen sie nicht mitgenommen hat, aber ich werde sie in den Papierkorb werfen, ehe ich morgen zum Frühstück gehe.
    Ich wohne seit zehn Tagen hier, seit drei Tagen habe ich nichts geschrieben. Es gab nichts zu schreiben. Jetzt gibt es etwas.
    Zum ersten Mal, seit Maria mich verlassen hat, ist mir eine Frau begegnet, die auf meiner Wellenlänge sendet. Ich habe hier eine Freundin gefunden, wir machen lange Wanderungen über die Heide an der Küste von Amalfi. Sie ist mädchenhaft gekleidet, weiße Sandalen und gelbes Sommerkleid, in dieser Kleidung zieht sie auch gern in die Berge. Sie hat Humor und schreckt auch vor einer kalten Dusche nicht zurück. Heute wurden wir von einem heftigen Gewitter überrascht.
    Ich habe viel über Luigis Warnung nachgedacht, aber ich kann Beate nicht für einen Lockvogel halten, wir hängen schon viel zu sehr aneinander. Wenn sie als Lockvogel nach Amalfi geschickt worden ist, dann hat sie sich die Sache seither anders überlegt. Uns ist auch noch kein Mann mit Ohrstöpsel begegnet, und wir waren schon zweimal oben im Valle dei Mulini und haben keine Menschenseele gesehen.
    Ich bin überzeugt davon, daß auch Beate ein Geheimnis hat. Sie hat sich so unbegreiflich verhalten, als wir heute Abend aus dem kleinen Bergdorf Pogerola zurückgekehrt sind. Sie erlitt einen heftigen Angstanfall, weinte und sagte, wir könnten einander nie wiedersehen.
    Morgen früh machen wir aber trotzdem einen Ausflug über das Gebirge nach Ravello. Beate ist an niemanden gebunden, vielleicht werde ich sie bitten, mich auf die Insel im Stillen Ozean zu begleiten. Ich werde ihr vom Autorenhilfswerk erzählen, einige Geschichten kennt sie schon. Jetzt brauche ich mich nicht mehr zurückzuhalten, ich habe alle Synopsen freigegeben, mir mein Eigentum zurückgeholt.
    Beate wird bald alles lesen, was ich während dieser Tage im Hotel geschrieben habe. Ich glaube nicht, daß meine Frauengeschichten sie schockieren werden; vielleicht wird sie herzlich darüber lachen. Nach den vielen Tränen, die sie gestern abend vergossen hat, gönne ich ihr das. Sie hat auch ein Leben hinter sich, aber ich habe sie nicht nach ihrer Vergangenheit gefragt; die ist nicht von Bedeutung, nicht für uns. Noch weiß sie nicht, daß ich sehr reich bin, ich werde sie erst fragen, ob sie mit mir kommt, bevor ich ihr eröffne, daß ich finanziell unabhängig bin. Ich habe mich schon nach Flugverbindungen erkundigt. Mittwochs gibt es einen Flug von München nach Singapur, ich habe sicherheitshalber zwei Tickets gebucht. Ich habe um die Sitze 1 D und 1 G gebeten, in der ersten Klasse.
    Der Rest wird sich finden.
    Wir könnten ein wenig von Insel zu Insel springen, ehe wir uns eine feste Bleibe suchen. Wir könnten uns ein Haus kaufen, vielleicht finden wir einen Bungalow mit Blick aufs Meer. Ich bin nicht zu jung für den Ruhestand, und Beate malt Aquarelle.
    Wieder phantasiere ich. Aber mich hält hier wirklich nichts mehr.

    Als ich eine Art Synopsis meiner eigenen Lebensgeschichte geschrieben hatte - sie reichte bis zu meinem fluchtartigen Aufbruch aus Bologna -, saß ich viele Stunden vor dem Fenster und starrte hinunter auf die Wellen, die vor dem Torre Saracena gegen das Ufer schlugen. Es war Karfreitag, der Tag vor meiner ersten Begegnung mit Beate. Ich ging nicht einmal in die Stadt hinunter, um mir die große Prozession zum Gedenken an die Leiden Christi anzusehen.
    Ich hatte beschlossen, vom Hotel aus meinen Bericht an Luigi mailen zu lassen. Es konnte sich als nützlich erweisen, eine Sicherheitskopie an einem Ort

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