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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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hatte nie versucht, Kontakt aufzunehmen. Seine Mutter hatte ihm all das nur Tage bevor die dunkle Wolke angriff und sie sich umbrachte, gestanden. Nachdem sein Stiefvater bereits an seiner Staublunge gestorben war.
    »Süße«, sagte er, »es gibt immer einen, der fieser ist. Aber der schlaue Kämpfer ist der bessere Kämpfer. Ich werde gewinnen. Ich habe keine andere Wahl. Dann schicke ich jemanden, der dich holt.«
    »Versprichst du es?«, fragte sie noch einmal.
    »Hab ich dir doch gesagt.«
    »Ich will, dass du es noch mal sagst.«
    Die Finsternis in Tammys Tonfall machte ihn fertig. Er musste sich weiterhin auf ihre Zukunft konzentrieren, nicht auf ihre unbestimmte Traurigkeit.
    »Versprochen.« Jarhead wechselte das Thema. »Wie geht’s unseren Babys?«
    Tammys Stimme wurde fröhlicher. »Little Caleb kriegt eine Erkältung. Und Zeek schläft.«
    »Was ist mir dir, hast du genügend Oxycodon gegen deine Schmerzen?«
    Tammy litt unter Krämpfen im Kreuz, seit ihre Eltern sich mit einem Wanderjahrmarkt aus dem Staub gemacht hatten und ihr Onkel sie mit Knöcheln, Knien und zerbrochenen Kiefernholzlatten großgezogen hatte. Von der Kindheit bis zum Erwachsenwerden hatte sie nur Schmerzen gekannt. Bis sie Jarhead kennengelernt hatte. Der sie mitnahm. Dem Onkel einen spätabendlichen Besuch abstattete. Dafür sorgte, dass er nie wieder etwas anrührte, was atmete.
    »Ja, aber nicht genug, um damit meine Sorgen um dich zu ersticken«, sagte sie.
    Sie war so süß, dass es ihrer Liebe zu ihm beinahe etwas Beißendes verlieh. Jarhead liebte sie deswegen nur noch mehr.
    »Jarhead?«, brüllte eine männliche Stimme.
    Er drehte sich um. Tigs Cousin Alonzo Conway kam in die Garage, deren Fußboden aus blanker Erde bestand, zwei rote 20-Liter-Benzinkanister im Schlepptau. »Sorry, Junge, wusste nicht, dass du an der Strippe hängst.«
    »Ich muss Schluss machen«, sagte Jarhead zu Tammy. »Ich ruf dich Sonntagabend an.«
    »Wer ist das?«, fragte Tammy.
    »Alonzo. Einer von den Jungs, die mir helfen, zum Donnybrook zu kommen. Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch.«
    Alonzo war der Besitzer des 5000-Quadratmeter-Grundstücks irgendwo in der Pampa entlang des Ohio River mit einem monströsen, heruntergekommenen Farmhaus darauf. Er setzte die benzingefüllten Kanister ab. Streckte Jarhead die Hand hin. Eine Zigarette hing ihm von der Lippe. Asche fiel herab, als er sprach. »Wollt mich noch mal dafür bedanken, dass du Tig geholfen hast. Ich hab mitbekommen, dass du keine Kohle nimmst, hab dir deswegen auf deiner Pritsche eine kleine Aufmerksamkeit hinterlegt.« Alonzos toffeefarbenes Haar stand wild und fettig in alle Richtungen ab. Seine Haut war feuerrot. Glühte schweißbedecktunter T-Shirt und Jeans. Er nahm die Zigarette aus dem Mund. Schnippte sie durch das zweiteilige blecherne Schiebetor hinter sich auf die rote Lehmerde. Zwinkerte Jarhead zu. Griff wieder nach den Kanistern. »Du gehst besser schnell rüber, bevor es kalt wird«, sagte er und ging in den hinteren Teil der Garage.
    Im Haus gaben die Bodendielen unter Jarheads Stiefeln nach und quietschten. Er stieß die Tür zum Schlafzimmer auf. Ein Mädchen, das nicht älter wirkte als eine Highschool-Schülerin im ersten Jahr, lag auf seiner Pritsche. Die Hände verschränkt hinter einem Wust von Haaren, die die Farbe von Tümpelschlamm hatten, dickborstig und schulterlang. Ihre Haut war wasserdampfweiß. Sie hatte metallisch glänzende Augen, betont von Mötley-Crüe-Lidschatten. Ihre Lippen sahen aus wie Twizzler-Kaustangen. Zwei BH-lose Hügel zeichneten sich unter einem tief ausgeschnittenen Hanes-T-Shirt mit V-Ausschnitt ab. Ihr flacher Bauch mit einem großkalibrigen Piercing schaute über einer abgeschnittenen Jogginghose heraus. Das rechte Bein war angewinkelt. Das linke steckte in einer Manschette aus Leder. Ein daran befestigtes Stück Stahl führte zu einem dicksohligen Schuh. Ein passendes Exemplar schmückte den rechten Fuß. Sie lächelte, ihre Zähne hatten die Farbe von Vanille. »Wo hast du denn die ganze Kohle her?«
    Die Walmarttüte mit dem Geld und Jarheads Kleidung lagen neben ihr.
    Jarhead ging auf sie zu. »Das geht dich einen Scheiß an«, sagte er. Und griff nach der Tüte. »Wer zum Teufel bist du?«
    Das Mädchen lächelte. »Mag Pie.«
    »Und was willst du?«
    »Was auch immer du willst. Ich bin hier, weil du Cousin Tig gerettet hast.«
    Jarhead fing an zu lachen. »Mädchen, du bist gerade mal, wie alt? Fünfzehn? Ich steh nicht

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