Der Geschmack von Apfelkernen
schlecht, aber nicht so schlecht, wie sie eigentlich erwartet hatte.
Schlecht, dann aber viel schlechter, als sie erwartet
hatte, ging es ihr, als Friedrich sich weder am nächsten noch am übernächsten Tag
bei ihr meldete. Das folgende Wochenende verbrachte sie wieder im Bett, diesmal
allein und so furchtbar unglücklich, dass sich Cornelia Sorgen machte und beinahe
schon hoffte, der Mann möge sich doch wieder zeigen. Eine weitere Woche verging,
Harriet hatte inzwischen herausbekommen, wo er wohnte, und ihm zwei Briefe
geschrieben, da klingelte er am Samstagabend an ihrer Tür. Als sie sah, wer es war,
übergab sie sich. Friedrich hielt ihr den Kopf, brachte sie zurück ins Bett, öffnete
das Fenster, rauchte aus dem offenen Fenster hinaus und wartete, bis sie wieder
Farbe im Gesicht hatte. Dann ging er zu ihr und legte ihr die Hand auf die linke
Brust. Harriets Atem ging schneller.
Er blieb bis Montag früh. Wegen des Schmerzes, den sie in
den zwei Wochen durchgemacht hatte, war alles noch intensiver als beim ersten Mal.
Harriet begriff, warum Leidenschaft eben auch so heißen muss. Als er wegging, fragte
Harriet voller Angst, ob er wiederkommen würde. Friedrich nickte kurz und
verschwand. Wieder für zwei Wochen. Harriet versuchte, sich zusammenzureißen, aber
es klappte nicht, sie fiel Tag für Tag mehr auseinander. Und immer, wenn sie sich
bemühte, irgendwo ein Stück festzuhalten, dann rutschte an einer anderen Stelle
etwas weg. Und kaum griff sie dorthin, fiel das ab, woran sie sich zuerst geklammert
hatte. Ihre Noten wurden schlecht. Cornelia bat darum, sie möge sich eine andere
Wohnung suchen. Ihre Eltern machten ihr Vorwürfe, weil sie eine Prüfung in den Sand
gesetzthatte. Sie wurde dünn und ihr Haar stumpf. Als er nach
zwei Wochen wieder auftauchte, stellte sich Cornelia vor Harriets Zimmer und rief
mit hoher Stimme, sie würde nächste Woche mit einer anderen Freundin zusammenziehen.
Da sie jetzt im Examen stehe, sei sie auch an den Wochenenden in Göttingen und
brauche mehr Ruhe. Harriet schämte sich, aber ihre Erleichterung darüber, Friedrich
wiederzusehen, war größer. Sie fragte ihn, ob er bei ihr einziehen wolle. Friedrich
nickte. Das war ein Skandal. Hinnerk, als er davon erfuhr, tobte, er ging sofort los
und änderte sein Testament. Er verstieß Harriet. Sie sollte nicht mehr nach Hause
kommen. Auch Weihnachten nicht.
Friedrich wohnte bei Harriet, aber konnte man wirklich
sagen, er war bei ihr eingezogen? Er schlief dort und hatte ein paar Kleidungsstücke
zum Wechseln in Cornelias alten Schrank gelegt. Aber seine Bücher, seine Sachen,
Bilder, Stifte, Decken, Kissen, eben all das, womit auch ein möblierter Herr so
lebte, das alles brachte er nie in die Wohnung. Harriet war verstört. Friedrich aber
sagte, er brauche sonst nichts. Harriet ging einmal sogar heimlich zur Wohnung von
Friedrichs vorherigem Mitbewohner, jenem Bruder ihrer Kommilitonin, aber der lebte
auch nicht mehr dort. Er hatte fertig studiert und war zurück ins Sauerland
gegangen, um in die Firma seines Vaters mit einzusteigen. Keiner im Haus wusste
etwas Genaueres über Friedrich Quast. Als Harriet ihn einmal fragte, wo seine
restlichen Sachen wären, antwortete er, seine Bücher habe er in einem kleinen Zimmer
in der Medizinischen Fakultät, wo er einen Erstsemesterkurs leite. Und der Rest? Der
Rest sei zwischengelagert. Bei einer Freundin seiner Mutter. Harriet wurde
eifersüchtig. Sie hatte den Verdacht, dass sie nicht die einzige Frau war,die er traf. Und obwohl Friedrich jetzt tatsächlich öfter bei
ihr war und obwohl sie, wenn er da war, immer miteinander schliefen, so war Harriet
mehr und mehr davon überzeugt, dass er andere Frauen haben musste. Mal gab es einen
fremden Geruch, mal einen zu beiläufig geöffneten Brief oder ein rasches Aufbrechen
nach einem verstohlenen Blick auf die Uhr. Harriet schloss die Augen. Und flog
davon.
Irgendwann machte sie die Augen wieder auf, um
festzustellen, dass sie mitten im Flug sitzengelassen worden war. Schwanger
sitzengelassen. Friedrich hatte es bemerkt, bevor sie es selbst bemerkt hatte. Ja,
sie hatte in letzter Zeit öfter Zahnfleischbluten gehabt, einmal auch eine
Zahnfleischentzündung. Ja, dass sie müde war, hatte sie auch festgestellt, aber das
kam von den Nächten, in denen sie mit Friedrich Sex hatte, statt zu schlafen. Und
vom Fliegen. Dass ihre Brüste
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