Der Geschmack von Glück (German Edition)
gewordener Hahn auf dem Hühnerhof und mit tintenverschmierter Hand die Morgenzeitung schwenkte.
»Wolltest du deshalb einen Tag früher kommen?«, fragte Harry und schmiss die Zeitung auf den Tisch neben Grahams Klappstuhl. Der Wohnwagen war klein hatte bloß eine winzige Essecke und eine Mini-Umkleide, in der eine Garderobeassistentin einen Ständer mit seiner Filmkleidung aufgestellt hatte. In den letzten beiden Jahren hatte Graham ständig Zylinder und Capes und dunkle Umhänge mit Samtfutter getragen. Dieser Film aber war eine zeitgenössische Liebesgeschichte, und die Klamotten sahen kaum anders aus als seine eigenen: Boardshorts, einfarbige T-Shirts, Flipflops. Er überlegte, ob er am Ende wohl ein paar davon behalten dürfte. Kaum etwas konnte er weniger leiden als Einkaufen.
Er linste auf das Bild auf Seite sechs der New York Post , das aus einiger Entfernung aufgenommen war, aber eindeutig ihn und Quinn im Lobster Pot zeigte. Sie hatte sich zur Seite gedreht, weshalb man von ihr nur einen Vorhang seidig glänzender Haare sah, doch Graham saß ihr gegenüber und beugte sich interessiert vor. Wenn er raten müsste, war es wahrscheinlich genau der Moment, in dem er erfuhr, dass sie nicht Ellie war. Der knappe Text daneben lautete »Larkins neue Liebe?«, es folgte noch ein weiterer Absatz, den Graham aber nicht las.
»Nein«, sagte er wahrheitsgemäß, und Harry ließ sich seufzend auf den anderen Stuhl fallen.
Als Graham den Vertrag mit ihm unterzeichnet hatte, gab es Fenton Management erst seit ein paar Jahren. Davor war Harry Fenton Medienanwalt gewesen, der die Nase voll von Vertragsformulierungen und Kleingedrucktem hatte und meinte, er hätte ein Händchen dafür, Schauspielerkarrieren zu managen. Sein erster Klient war ein Junge mit rundlichem Gesicht und Brille aus einer beliebten Sitcom, und seither hatte er eine erkleckliche Zahl von Jungstars mit zweifelhaftem Schauspieltalent zusammengeworben.
Bevor Graham den Vertrag für die Trilogie unterschrieben hatte, als die Besetzungsliste noch unter Verschluss war und niemand ahnen konnte, wie schnell er zum Star aufsteigen würde, war Harry der Einzige, der ihm überhaupt einen Termin geben wollte. Für dieses Vertrauen würde Graham ihm immer dankbar sein, schließlich war er ein völlig unbeschriebenes Blatt, ein Junge von der Highschool, der bisher bloß einen mittelmäßigen Auftritt in Guys and Dolls gehabt hatte. Jetzt war er mit Abstand Harrys wichtigster Klient, und das brachte ihm über das übliche Engagement hinaus oft auch einen mürrischen Begleiter mittleren Alters am Drehort ein.
»Das ist schlecht«, sagte Harry und fuhr sich mit der Hand durchs dünner werdende Haar. »Du kannst nicht einfach in so eine Stadt reinschneien, dich mit dem erstbesten Mädchen verabreden und sie dann sitzenlassen.«
Graham sah ihn an. »Steht das da?«
»Nein.« Harry zuckte die Achseln. »Aber das erzählt man sich.«
»Ich habe sie nicht sitzenlassen«, erklärte Graham. »Es gab bloß eine Verwechslung …«
»Darum geht es gar nicht.« Harry drehte seinen Stuhl so herum, dass sie einander gegenübersaßen. »Es geht darum, dass du mit Olivia zusammen sein solltest.«
Graham starrte ihn wütend an. »Sollte ich?«
»In so einem Kaff, wo dir in den nächsten Wochen keine anderen Mädchen über den Weg laufen, da denkt sich alle Welt, dass ihr einfach –«
Er zog fragend eine Augenbraue hoch. »Einfach was?«
»Du musst doch zugeben, als PR für den Film wäre es spitze – und auch als PR für dich«, fuhr Harry fort, dem Grahams Miene offenbar entgangen war. »Du musst dich jetzt entscheiden: für dein nächstes Projekt, deine nächste Freundin – das sind alles wichtige Überlegungen. Und jetzt glotz mich nicht so an. Dafür zahlst du mir doch die dicke Kohle – dass ich dir solche Sachen sage. Dich auf die nächste Stufe hebe, klar?« Er legte eine Pause ein und warf die Hände in die Luft. »Und außerdem reden wir hier von Olivia Brooks, Herrgott. Ich schlag ja nicht vor, dass du mit einem Waldtroll schlafen sollst.«
»Du hast mir überhaupt nicht zu sagen, mit wem ich schlafen soll.« Graham stand auf.
»So habe ich es nicht gemeint. Ich wollte bloß – du kannst es doch immerhin versuchen, oder?«
Graham trat ans winzige Wohnwagenfenster, durch das man auf den Set schaute. Die Kameras waren schon in Position gebracht, und der Regisseur – ein junger Typ namens Mick, der zuletzt einen großartigen kleinen Independentfilm
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