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Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer E. Smith
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hatte schon ganze Szenen in weniger Zeit auswendig gelernt.
    »Du sollst mich küssen«, sagte Ellie und sah ihn mit undurchdringlicher Miene an. Graham zog sich der Magen zusammen, er starrte sie an und war nicht in der Lage, eine Antwort zu formulieren. Es war still bis auf das Ticken der Uhr über dem Herd und das leise Atmen des Hundes. Nach einem langen Moment schüttelte Ellie den Kopf. »Steht im Drehbuch.« Sie zeigte auf die Seite, ohne den Blick von Graham zu wenden.
    Er nickte rasch. »Stimmt«, sagte er und zwinkerte heftig.
    »Du sollst mich küssen«, sagte sie noch einmal, dann wurde sie rot und hielt die zerknickten Seiten hoch. »Ich meine Olivia. Oder –«, sie schaute kurz darauf, »Zoe. Echt? Jasper und Zoe? Wer schreibt denn so was?«
    Graham hörte gar nicht richtig hin. Ihre Worte kreisten in seinem Kopf: Du sollst mich küssen.
    Sie hatte natürlich Recht. Er sollte sie küssen. Er hätte sie schon vor einiger Zeit küssen sollen, gleich als er hier angekommen war. Er hätte sie schon heute Nachmittag am Strand küssen sollen. Und am Tag vorher im Ort. Und am ersten Abend draußen auf ihrer Veranda.
    Auf einmal kam es ihm vor, als hätte es bereits eine Million Gelegenheiten gegeben, bei denen er sie hätte küssen sollen, auch ohne Drehbuch oder sonst irgendwelche Anweisungen. Ohne nachzudenken, stützte er die Hände auf den Tisch und schob seinen Stuhl zurück. Erst als sie ihn anlächelte, merkte er, dass er selbst lächelte.
    »Ich glaube, es ist ganz wichtig«, sagte er beim Aufstehen, »dass wir uns ans Drehbuch halten.«
    »Echt?«, sagte sie, und ihr Lächeln wurde breiter.
    Doch da schwenkte ein Lichtkegel an den dunklen Fenstern über der Spüle entlang, verschwand kurz und landete dann wieder direkt in Grahams Augen. Er trat zur Seite und blinzelte, und als er sich wieder Ellie zuwandte, war auch sie aufgestanden.
    »Mist«, murmelte sie. »Sie kommt früher zurück.«
    »Wer?« Graham war durcheinander. Vor einer Sekunde war alles noch wie in Zeitlupe abgelaufen, und jetzt kam es ihm vor, als hätte jemand »Schnitt!« gerufen, und der Bann war gebrochen. Ich sollte sie küssen , dachte er, und plötzlich erschien ihm der ganze Abend wie ein Lied, das vor den letzten Takten abgebrochen worden war und so ein quälendes Gefühl der Unvollständigkeit hinterließ.
    »Meine Mutter«, sagte Ellie und räumte den Tisch ab. »Sie war wohl nicht so angetan von dem Buch.«
    Draußen gingen die Scheinwerfer aus, Graham hörte eine Autotür zuschlagen. Bagel trottete zur Hintertür, und eine Minute später erschien Ellies Mutter, deren Miene sich verdüsterte, als sie Graham mit den Händen in den Hosentaschen mitten in der Küche stehen sah.
    Es war schon lange her, dass ihn jemand mit so offenem Misstrauen angeschaut hatte. In seinem früheren Leben war er immer toll mit Eltern klargekommen: Er war ein netter Junge und charmant genug, fast jeden für sich einzunehmen. Und in seinem neuen Leben hatte er sich daran gewöhnt, dass sich alle fast überschlugen, um ihm zu gefallen. Aber dieser Ausdruck von Argwohn, mit dem Ellies Mutter ihn gerade ansah, war völlig neu für ihn.
    Graham trat von einem Fuß auf den anderen und versuchte gewinnend zu lächeln, was aber offensichtlich überhaupt keine Wirkung erzielte.
    »Ich dachte, Quinn kommt vorbei«, sagte Mrs O’Neill mit hochgezogenen Brauen, während sie ihre Handtasche auf die Arbeitsplatte fallen ließ.
    »Sie hat es sich anders überlegt«, murmelte Ellie. »Du erinnerst dich an Graham, oder?«
    Mrs O’Neill nickte, ohne zu lächeln. »Schön, Sie zu sehen«, sagte sie, klang dabei allerdings nicht so, als meinte sie das auch. »Gefällt es Ihnen in Henley?«
    »Ja«, sagte Graham und schluckte im letzten Augenblick das »Ma’am« hinunter. »Es ist wirklich reizend hier.« Er räusperte sich und schaute zu Boden. Er hatte noch nie im Leben das Wort »reizend« benutzt.
    »Und wie lange bleiben Sie alle hier im Ort?«
    »Noch ein paar Wochen«, antwortete er. »Aber ich wünschte, es wäre für länger. Es ist wirklich ein reizender Ort.« Er hustete, seine Wangen brannten. Unfassbar, dass er in weniger als einer Minute zwei Mal »reizend« gesagt hatte. »Ich habe übrigens gerade meine Eltern für den vierten Juli hierher eingeladen«, fügte er rasch hinzu. Er hatte das Gefühl, Unsinn zu reden, aber konnte nicht aufhören. »Ich dachte mir, denen wird es hier sicher auch gefallen.«
    Von der anderen Seite der Küche schickte

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