Der Geschmack von Glück (German Edition)
und erschrak. Sie fühlte sich völlig unvorbereitet, ihr ausgerechnet hier und jetzt zu begegnen. Sie waren noch weit genug voneinander entfernt, um so zu tun, als würden sie einander nicht bemerken. Doch als ihre Blicke sich trafen, merkte Ellie, dass Quinn ein klein wenig zögerte und ihren Schritt verlangsamte. Ellie lächelte sie an und blieb auf ihrer Höhe stehen; die beiden sahen sich über das gelbe Blumenbeet hinweg an, das die Straße vom parallel laufenden Steg trennte.
»Hi«, sagte Ellie, und Quinn lächelte höflich. Sie trug ein blaues T-Shirt von Sprinkles , und Ellie erkannte es ziemlich rasch.
»Du hast den Fleck rausgekriegt«, sagte sie grinsend, und in Quinns Augen, die in letzter Zeit immer absichtlich kühl geblickt hatten, erwachte etwas zum Leben.
»Sieht nicht so toll aus«, sagte sie und betrachtete den Saum. »Aber meine anderen waren alle schmutzig.« Sie sah nachdenklich wieder hoch. »Ich habe dir deins noch gar nicht zurückgegeben.«
»Behalt es«, sagte Ellie und lächelte breit. »Das ist das Mindeste, was ich als deine Stylistin tun kann.«
»Das war echt ein verrückter Tag«, sagte sie, und Ellie wusste, sie meinte nicht bloß den Milchshake, sondern alles, was seit der Ankunft des Filmteams passiert war.
»Quinn …«, begann Ellie, doch weiter kam sie nicht.
»Du bist doch nachher auf dem Fest, oder?«, fragte Quinn in leichtem Ton. Seit sie klein waren, gingen sie zusammen hin, jedes Jahr waren sie mit Cupcakes in der einen und Wunderkerzen in der anderen Hand übers Grün gerannt. Mit zehn hatten sie eine ganze Kiste Feuerwerk geklaut, waren nach dem Fest runter an den Strand gerannt und hatten einen Knaller nach dem anderen angezündet; das war seitdem eine Art Tradition geworden. Nach allem, was diesen Sommer passiert war, hatte Ellie angenommen, sie würde dieses Jahr gebrochen. Aber als Quinn sie jetzt so anschaute, war sie nicht mehr sicher.
Sie schaute zu den Booten. »Weiß ich nicht«, sagte sie leise; ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie wünschte, sie könnte Quinn sagen, wo sie hinwollte. Sie waren immer gemeinsam durch dick und dünn gegangen – jedes Abenteuer, alles Neue hatten sie zusammen durchlebt –, doch jetzt lag diese schreckliche Distanz zwischen ihnen, und sie versuchte, nicht daran zu denken, was sie alles verpasst hatten, die ganzen kleinen und großen Schritte der letzten Wochen, von denen die andere nichts mitbekommen hatte.
Quinns Stirn legte sich in Falten. »Du weißt es nicht?«
»Ich muss noch was erledigen.« Näher traute sie sich nicht an die Wahrheit heran. »Aber ich hoffe, ich bin rechtzeitig wieder da.« Aus dem Augenwinkel sah sie Graham näher kommen und war erleichtert, als er hinter Quinn zum Bootssteg abbog. Sie sah Quinn wieder in die Augen. »Bist du denn da?«
Die nickte.
»Mit Devon?«
»Klar«, sagte sie etwas barsch, fing sich dann aber und zögerte eine Sekunde. »Und Graham?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Ellie ehrlich.
Quinn sah nachdenklich aus, längst nicht so ablehnend, wie Ellie es in letzter Zeit von ihr gewohnt war. »Vielleicht sehen wir uns ja.«
»Das hoffe ich.« Ellie wollte sich ihre Freude nicht zu sehr anmerken lassen, doch der Wunsch, dass alles wie früher würde, war plötzlich überwältigend. Sie wollte am Strand stehen und die Raketen ins Dunkel sausen sehen. Sie wollte Quinn neben sich wissen. Nicht diese Quinn, sondern die alte. Sie wollte ihre beste Freundin wiederhaben.
»Ich komme zu spät«, sagte Quinn, und in Ellies Ohren klang es wie die schlimmste Ablehnung. »Ich muss los.«
»Klar«, sagte sie. »War echt schön, dich zu sehen.«
Quinns Gesichtsausdruck war undurchschaubar, und sie schwieg so lange, dass Ellie schon überzeugt war, sie würde gar nichts mehr sagen. »Deine Mail«, sagte sie schließlich. »Ich habe es noch nicht geschafft zu antworten …«
»Kein Problem«, sagte Ellie rasch, und wieder zögerte Quinn lange, ehe sie mit sanftem Blick nickte.
»Wird heiß heute«, sagte sie dann. »Vergiss nicht, dich einzucremen.«
Ellie lächelte. »Werde ich nicht«, versprach sie, doch in Gedanken sagte sie: Danke. Und: Schön, dass du wieder da bist.
Den Rest des Weges zum Boot fühlte sie sich eigenartig beschwingt und leicht. Das Möwenkreischen klang hell über dem dumpfen Wellenrauschen, und alles glitzerte in der Sonne. Der Morgen kam ihr vor wie eine Rührschüssel, die auf die Zutaten wartete: Alles war möglich, es war mit einigem zu
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