Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)
können, kribbelt es rosarot in meinem Bauch.
Sofort schrillen in meinem Kopf die Alarmglocken los. Ich werde höllisch aufpassen müssen, ermahne ich mich, bei diesem Herantasten nicht allzu viel von mir selbst preiszugeben! Denn während ich Mattis’ Geheimnis unbedingt ergründen möchte, muss ich das meine sorgsam bewahren. Aus einem simplen Grund:
Ein einsamer Wolf zu sein, warum auch immer, ist zweifellos sexy.
Eine einsame Halluzinierende zu sein zweifellos nicht.
Zehn
»Komm rein, es ist ganz warm!«
Mattis steht bis zu den Hüften im Wasser und streckt mir die Hand entgegen. Und obwohl ich der Vorstellung, in der braunen Plörre zu schwimmen, nach wie vor nicht viel abgewinnen kann, klettere ich die wilde Uferböschung runter: Allem würde ich eher widerstehen als der Verlockung, Mattis Bendings Hand zu nehmen.
Das Wasser – warm, von wegen! – umspielt meine Beine und beschert mir eine unattraktive Gänsehaut. Während ich durch die Brühe wate und Mattis’ ausgestreckter Hand immer näher komme, mustere ich ihn verstohlen. An ihm ist nichts unattraktiv, so viel steht schon mal fest.
Ich komme zu dem Schluss, dass die Gerüchte, er verdiene sich sein Taschengeld als Unterwäsche-Model, wohl stimmen müssen. Wäre ich eine professionelle Fotografin und nicht nur eine knipsende Schülerin, dann würde ich mir Mattis jedenfalls nicht entgehen lassen. Liebe Güte, dürfte ich ihn jetzt fotografieren, wie er lächelnd, braungebrannt und so dermaßen sexy in diesem Weiher steht, könnte ich mir mit dem Verkauf der Bilder wahrscheinlich Bleistifte für die nächsten tausend Jahre kaufen!
»Wenn du erst mal drin bist, ist es echt angenehm«, versichert mir Mattis, der von meinen schmachtenden Gedanken nichts ahnt. »Tauch einfach mit mir unter. Bei drei?«
Er greift nach meiner Hand, und unsere Finger verschränken sich ineinander.
Wortlos nicke ich, völlig durch den Wind von der Welle goldsprühenden Blaus, die bei der Berührung seiner Hand über meinen inneren Monitor schwappt. Doch da ist Mattis schon unter Wasser, zieht mich mit sich und bringt durch den Temperaturschock mein Gehirn wieder in Gang.
»Scheiße, ist das kalt«, pruste ich, als ich wieder auftauche, und Mattis lacht.
Danach schwimmen wir durch den Weiher, und ich bin der Verpflichtung, zu reden, erst einmal ledig. Zum Glücklichsein genügt es mir vollkommen, an Mattis’ Seite grünliche Entengrütze zu durchpflügen, immer mal wieder einen Blick auf sein Profil zu riskieren und dann und wann seinen Arm oder sein Bein zu berühren – rein zufällig natürlich, wenn wir uns beim Schwimmen zu nahe kommen.
Mattis ist ganz Gentleman, passt sein Tempo dem meinen an. Und als wir nach zwanzig Minuten die Böschung hochklettern und uns durchs Gebüsch zwängen, um auf die Pappelwiese zu kommen, bin ich wohlig müde, aber nicht erschöpft.
Nicht der schlechteste Zustand, frohlocke ich. Denn was das Joggen nicht geschafft hat, hat nun das Schwimmen besorgt: Meine Nervosität ist auf ein Minimum geschrumpft, sodass ich gute Chancen habe, ausnahmsweise mal nicht zu stottern, Müll zu reden oder Leberkäse durch die Gegend zu spucken. Eine beruhigende Vorstellung. Hey, dieser Schwimmausflug ist schließlich fast so was wie ein Date! Ein Date, für das praktisch alle Mädchen meiner Klassenstufe töten würden. Ein Date mit dem Jungen, bei dessen Anblick die Liebe mich getroffen hat wie ein Blitzschlag. Ein Date also, bei dem es wirklich darauf ankommt.
Wenn ich das versaue, werde ich es mir nie verzeihen.
»Gefällt’s dir hier, oder willst du doch lieber an den Strand?«, erkundigt sich Mattis, als wir ein paar Minuten später auf unseren Handtüchern liegen.
Die Sonne knallt auf uns runter, es riecht nach Gras, über uns rauschen die Pappeln, und ich schaue in Mattis’ dunkelbraune Augen. Mal ehrlich, wo auf der Welt könnte es mir besser gefallen als hier?
»Alles prima«, sage ich und halte meine Euphorie, ganz allein mit dem Jungen meiner Träume auf dieser Wiese zu liegen, sorgfältig aus meiner Stimme heraus. »Am Strand sind eh nur Touris.«
Er schaut mich aufmerksam an. »Und die magst du nicht?«
»Ich weiß nicht.« Ein paar Sekunden lang muss ich überlegen. »Irgendwie machen wir uns immer alle darüber lustig, was diese Urlauber in Walding suchen. Dass sie Geld bezahlen, um hier zu sein. Ich meine, was gibt’s hier schon zu sehen?«
»Authentisches bayerisches Landleben?«, schlägt Mattis vor.
Ich verziehe das
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