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Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Sommerregen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Gesicht. »Und was bitte schön ist daran interessant?«
    »Viel, wenn man es nicht kennt. Das Neue ist doch oft interessant.«
    Ja, wenn es so aussieht wie du. Wenn es so schöne Lippen hat, eine so samtige Stimme und hoffentlich, hoffentlich keine superscharfe Freundin in München.
    Mutig sage ich: »Für dich ist das hier doch auch neu. Dafür, dass du uns Waldinger also hochinteressant finden müsstest, haust du nach der Schule immer auffällig schnell ab.«
    Mattis zögert kurz. Dann sagt er: »Ich mache gern Sport. Da geht eine Menge Zeit drauf.«
    »Und abends? Keine Lust, unser aufregendes, authentisch bayerisches Nachtleben kennenzulernen?«
    Er grinst. »Okay, hilf mir auf die Sprünge. Worin bestand euer Nachtleben noch gleich?«
    Ich ziehe bedeutungsvoll die Brauen hoch. »Private Orgien mit Vivian und ihrem Anhang, wenn du’s exklusiv haben willst. Billard im Jugendhaus, Dartspielen im Pub oder billiges Saufen auf dem Sportplatz, wenn du dich lieber unters gemeine Volk mischst.«
    »Hm. Dann lasse ich das mit dem Nachtleben doch lieber langsam angehen.«
    Ich lache. »Sag nur, du hast keine Lust, auf Vivians nächster Party der Stargast zu sein!«
    Mattis schaut mir in die Augen. »Die Vorstellung, meine Zeit mit dir zu verbringen, gefällt mir wesentlich besser.«
    Sofort stieben aufgeregte, hellrote Funken in mir auf. Flirtet er etwa mit mir?
    Er flirtet mit mir!
    Doch die Funken verlöschen, als mir seine geheimnisvolle Super-Freundin einfällt. Die mit der Dauerkarte fürs P1. Die, gegen die ich sowieso keine Chance habe. Ach, wenn ich bloß wüsste, ob sie lediglich eine von Börnys überspannten Erfindungen ist – oder ob sie wirklich existiert!
    Aber wie soll ich das rausfinden? Einfach fragen scheidet definitiv aus. Wenn Mattis mich lediglich als Sozialkontakt betrachtet – als eine aus seiner Klasse, mit der er am Weiher rumhängt, weil er gerade nichts Besseres zu tun hat –, dann lehne ich mich damit viel zu weit aus dem Fenster.
    Also zupfe ich an meinem Bikini herum und versuche es durch die Blume, indem ich das Thema wechsele. »Sag mal, vermisst du dein Leben in München eigentlich? Deine Kumpels, klar, das hast du ja erzählt. Aber sonst?«
    Ein Mädchen?
    Mattis verschränkt die Arme unter dem Hinterkopf und schaut in den blauen Himmel. »Es gibt schon Dinge, die ich vermisse. Aber eigentlich sind das nur Kleinigkeiten.«
    Na, das klingt doch schon mal gut. Hoffnungsvoll hake ich nach: »Und was wäre das?«
    »Alltagskram halt. Lass mich überlegen.« Er runzelt die Stirn, dann wendet er mir wieder den Kopf zu. »Gut, ein paar Beispiele: Wenn ich ins Kino will, habe ich drei Filme zur Auswahl statt zwanzig. Wenn ich Klamotten brauche, besorge ich sie mir jetzt im Internet statt in Schwabing. Wir essen nur noch gutbürgerlich, wenn wir ins Restaurant wollen, nicht mehr indisch oder afrikanisch, weil es hier eben nur das Dorfgasthaus gibt. Oder nimm die Schule: Im Kunstunterricht schauen wir ständig Dias an, statt auch mal eine Exkursion in die Pinakothek zu machen, wo wir Originale sehen könnten. Das ist natürlich alles nicht wirklich schlimm. Aber doch irgendwie … reduziert.«
    Ich bin so erleichtert, dass Mattis von Filmen und afrikanischen Restaurants redet statt von einer Freundin, nach der er sich Tag und Nacht verzehrt, dass ich eifrig sage: »Ja, vielleicht ist es ein bisschen reduziert. Aber dafür gibt es hier ganz, ganz viel anderes, das du haben kannst!« Spontan beschließe ich, ihm sein neues Leben bei uns in der Einöde so richtig schmackhaft zu machen. »Walding hat auch einiges zu bieten, weißt du? Wenn auch keine Pinakothek. Aber zum Beispiel … äh …«
    Mattis lacht, seine dunklen Augen blitzen. »Hast du mir nicht vor fünf Minuten erklärt, hier gäbe es absolut nichts Interessantes? Nichts zu sehen und nichts zu erleben? Abgesehen von eurem heißen Nachtleben, natürlich.«
    Shit. Das habe ich in der Tat so ähnlich gesagt.
    »Na ja«, rede ich mich raus, »es gibt nicht viel, was Touristen interessieren könnte. Aber, äh, es gibt den Weiher und die schöne Natur.« Ich setze mich auf, weise mit einer vagen Handbewegung auf unsere Umgebung: weit und breit kein Multiplex-Kino, dafür Bäume, Gras und Himmel. »Und wir haben einen riesigen Reiterhof ganz in der Nähe. Und das Jugendhaus, und den Irish Pub und … das Café … und einen ziemlich bekannten Bio-Bauernhof, nur eine Viertelstunde von hier entfernt, und … äh … ja.«
    Na super. Schon

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