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Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Sommerregen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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den Wochenenden? Trauert er seinem Leben in München so sehr nach?
    Ich werde nicht schlau aus ihm, und jeden Tag nehme ich mir etwa fünfzig Mal vor, keinen Gedanken mehr an ihn zu verschwenden. Ich möchte ihn in seiner selbstgewählten, ultracoolen Isolation versauern lassen, mich in Alex verlieben, der schon seit der Fünften auf mich steht, und alles vergessen, was mit blauen Wellen und schimmerndem Gold zu tun hat.
    Nur dass mir Mattis’ Mund nicht aus dem Kopf geht, und sein Lächeln noch viel weniger. Gestern hat es zum ersten Mal mir gegolten. Und jetzt sitze ich auf meinem Platz, schaue zu, wie unser Mathelehrer vor der Tafel hin und her wandert, und kann an nichts anderes denken als an dieses Lächeln.
    Fabian, der mit mir in der Foto- AG ist, hatte mir vor ein paar Tagen eine Einführung in Photoshop geliehen. Gestern vor Erdkunde gab ich ihm das Buch zurück und schaute danach ganz zufällig und betont gleichgültig zu seinem Sitznachbarn.
    Wow.
    Mattis’ Blick ruhte so nachdenklich, tief und dunkel auf mir, seine Wimpern waren so schwarz und dicht, sein Aftershave stieg mir so kühl und herb in die Nase, dass mein innerer Monitor in einem wahren Farb-Feuerwerk explodierte und mich völlig benommen zurückließ. Dahin war meine ganze schöne Lässigkeit, ich konnte nur dastehen und ihn anstarren wie ein Mondkalb.
    Da zog er einen Mundwinkel hoch und lächelte.
    Na ja, es war ein halbes Lächeln, aber es war so was von sexy. Und ich lächelte zurück. Mit einem ganzen Lächeln, das viel zu strahlend ausfiel und viel zu viel verriet.
    Ich kaue auf meinem Bleistift und schaue versonnen auf die Tafel, ohne die mit Kreide geschriebenen Gleichungssysteme darauf auch nur wahrzunehmen, geschweige denn sie zu verstehen. In meinem Bauch kribbelt es, rot und angenehm.
    »So, x hätten wir. Sophie, kannst du uns bitte die Gleichung nach y auflösen?«
    Ich schrecke aus meinen Tagträumen von halben und ganzen Lächeln hoch und begegne dem Blick von Herrn Kreuzbach, der ungeduldig auf meine Antwort wartet. Mist. In Mathe muss ich echt um jeden Punkt bangen, obwohl ich in den anderen Fächern ganz gut bin. Aber Gleichungssysteme, Wurzeln und Polynomdivision wollen einfach nicht in meinen Kopf.
    Weshalb ich eigentlich aufpassen müsste, statt verliebt vor mich hinzuschmachten.
    Verliebt?, schießt es mir durch den Kopf. Hab ich das gerade echt gedacht?
    Verdammt noch mal. Ich habe mich verliebt!
    Aber nicht in Alex, bei dem ich Chancen hätte und der mit seinen Fischaugen, der pickeligen Stirn und den freundlichen Augen ein netter, solider Trostpreis wäre.
    Sondern in Mattis, den Hauptgewinn.
    Mattis, über den so ziemlich alle Mädchen der Klasse tuscheln und für den Vivian sich Tag für Tag in ihre heißesten Klamotten zwängt, damit er endlich auf ihre Reize aufmerksam wird. Mattis Bending aus München, der uns doofe Dörfler völlig links liegen lässt. Wahrscheinlich hasst er seine Eltern dafür, dass sie ihn hierher verschleppt haben, in die Einöde, in die er nicht gehört.
    »Sophie? Wird’s bald?« Herr Kreuzbach wippt auf seinen Gesundheitslatschen vor und zurück, offensichtlich kann er sich nicht dazu durchringen, mir einfach null Punkte in Mitarbeit zu geben.
    Ich schüttele entschuldigend den Kopf. Herr Kreuzbach seufzt und wendet sich anderen, fähigeren Schülern zu. Und ich atme tief durch, versuche der tobenden Wellen, des sprühenden Goldes und des Funkenfeuers in meinem Inneren Herr zu werden, während ich mich im Stillen verfluche, weil ich so dämlich bin.
    Ich greife nach meinem Matheordner, reiße ein Stück vom obersten Blatt ab und kritzele hektisch mit zitternden Fingern darauf: Lena, glaubst du an Liebe auf den ersten Blick?
    Dann schiebe ich ihr den Zettel rüber.
    Ihre Augen werden groß.
    Wer ist es??? , kritzelt sie zurück.
    Ich schlucke, aber jetzt habe ich angefangen und kann nicht mehr zurück.
    M . B.
    Ich halte die Luft an. Wird sie mich auslachen? Bemitleiden? Versuchen, es mir auszureden? Und was von alldem wäre das Schlimmste für mich?
    Lenas Stift verharrt über dem Zettel. Dann nimmt ihr Gesicht einen entschlossenen Ausdruck an, sie schreibt, und ich lese: Okay, es wird Zeit, dass wir uns um dein Styling kümmern. Heute Nachmittag wird aus Sophie mit den buschigen Augenbrauen Emma Watson, die Unwiderstehliche. Um halb fünf bei mir?
    Ich lächele. Das süße, cremige Milchkaffeebraun, das sich in mir ausbreitet, erkenne ich sofort: Dankbarkeit für diese Freundin, die

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