Der geschmuggelte Henry
und Mrs. Schreiber. Wie freue ich mich, daß Sie gekommen sind!», und dann stellte er mit einer gekonnten Handbewegung vor und nannte Namen, die Mrs. Schreiber nur mit halbem Ohr vernahm, bis er zu den letzten zwei kam, und da war kein Irrtum mehr möglich:
«Seine Exzellenz, Marquis Hipolyte de Chassagne, der neue französische Botschafter in Ihrem Land, und Madame Harris.»
Es war also wirklich wahr. Dort stand strahlend Mrs. Harris mit ihren Apfelbäckchen und den kleinen frechen Augen. Sie war nicht auffallend, aber sehr gut angezogen, ja, besser als die meisten anderen Frauen. Und es war nicht einmal so sehr die Anwesenheit von Mrs. Harris wie ihre Erscheinung, die Henrietta verblüffte. Alles, was sie denken konnte, war: Wo habe ich das Kleid schon einmal gesehen?
Mrs. Harris nickte anmutig, und dann sagte sie zu dem Marquis: «Das ist sie, von der ich Ihnen erzählt habe. Ist sie nicht entzückend? Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte ich nie die Dollars bekommen, um nach Paris zu fahren und mir mein Kleid zu kaufen, und jetzt nimmt sie mich nach Amerika mit.»
Der Marquis ging auf Henrietta Schreiber zu, nahm ihre Hand in die seine und hielt sie einen Augenblick lang an seine Lippen. «Madame», sagte er, «ich bin entzückt, einen Menschen mit warmem Herzen kennenzulernen, der ein warmes Herz beim anderen zu erkennen vermag. Sie müssen ein sehr guter Mensch sein.»
Die kleine Rede, die Mrs. Schreiber für den Rest der Reise eine besondere gesellschaftliche Stellung gab, verschlug ihr den Atem, und sie konnte das alles immer noch nicht fassen. «Aber... aber Sie kennen unsere Mrs. Harris?».
«Ja, natürlich», erwiderte der Marquis, «wir haben uns bei Dior in Paris kennengelernt und sind alte Freunde.»
Es war folgendes geschehen: Als er durch seinen Chauffeur erfahren hatte, daß Mrs. Harris an Bord des Schiffes, in der Touristenklasse, war, hatte er zu dem ihm befreundeten Kapitän gesagt: «Wissen Sie, Pierre, daß Sie eine äußerst bemerkenswerte Frau an Bord haben?»
«Meinen Sie die Gräfin Touraine?» fragte der Kapitän, dessen Aufgabe es natürlich war, die Passagierliste zu studieren. «Ja, sie ist enorm talentiert, aber, wenn ich sagen darf, ein bißchen...»
«Nein, nein», sagte der Marquis. «Ich spreche von einer Londoner Putzfrau, die den ganzen Tag auf den Knien die Fußböden ihrer Kunden in Belgravia schrubbt oder ihr schmutziges Geschirr abwäscht... Aber wenn Sie in ihren Kleiderschrank gucken, werden Sie dort die exquisiteste Creation des Hauses Christian Dior hängen sehen, ein Kleid im Wert von vierhundertfünfzig Pfund, das sie für sich selbst erstanden hat.»
Der Kapitän war ehrlich erstaunt. «Was sagen Sie da? Das ist ja nicht zu glauben. Diese Person ist an Bord meines Schiffes? Was macht sie hier? Wohin fährt sie denn?»
«Gott allein weiß», antwortete der Marquis, «was sie in Amerika will, was dort zu ergattern sie sich in den Kopf gesetzt hat. Ich kann Ihnen nur sagen, daß, wenn eine Frau wie sie sich etwas vorgenommen hat, nichts sie davon zurückhalten kann.» Und dann erzählte er dem Kapitän die Geschichte von Mrs. Harris, wie sie nach Paris gekommen war, um sich ein Diorkleid zu kaufen, und wie sich das auf alle, mit denen sie dort in Berührung gekommen war, ausgewirkt hatte.
Als der Marquis seine Erzählung beendet hatte, war der Kapitän noch neugieriger geworden und hatte gesagt: «Und diese Frau ist an Bord, und Sie sagen, sie sei eine Freundin von Ihnen? Nun, dann werden wir sie zu einem Drink einladen. Es wird mir eine Ehre sein, sie kennenzulernen.»
Und so hatte Mrs. Harris genau die gleiche Einladungskarte erhalten wie die Schreibers, nur daß auf ihrer Karte noch stand: «Ein Steward wird Sie in Ihrer Kabine abholen und in die Räume des Kapitäns führen.»
Bevor Mrs. Schreiber von ihrem Mann getrennt wurde, fand er noch Zeit, ihr zuzuflüstern: «Es sieht so aus, als ob du dir keine Sorgen um Mrs. Harris zu machen brauchtest. Meinst du nicht auch?» Diese gelassene und selbstsichere Dame plauderte jetzt selig und unbefangen mit dem Kapitän. Sie schien bei ihrem Pariser Besuch in ein kleines Restaurant an der Seine geführt worden zu sein, das auch das Lieblingslokal des Kapitäns war, wenn er nach Paris kam, und sie tauschten ihre Eindrücke aus.
Der Herr, der neben Henrietta saß, sagte zu ihr: «Genießen Sie die Reise, Mrs. Schreiber?» und war etwas erstaunt, als er die Antwort erhielt: «Ach, du lieber Himmel, es ist eins, das
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