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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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nicht verborgen, wie sehr er sich gebessert hatte, und sie bemerkte: «Gott, mein Liebling, wie wird dein Vater stolz auf dich sein!»
    «Ach», sagte der Marquis, «ich wollte gerade darauf kommen. Haben Sie ihn gefunden?»
    Mrs. Harris errötete. «Leider nein», erwiderte sie. «Und ich schäme mich wirklich, daß ich vor Mrs. Butterfield geprahlt habe, ich würde ihn, wenn ich erst einmal in Amerika wäre, im Handumdrehen finden. Ich nehme eben immer den Mund zu voll. Aber ich werde es schon schaffen.»
    Sie wandte sich Henry zu und sagte: «Sei unbesorgt, mein Junge, ich werde deinen Vater finden, oder ich will nicht Ada Harris heißen.»
    Der kleine Henry nahm dieses Versprechen hin, ohne daß sich sein Gesichtsausdruck veränderte oder daß er sein Schweigen brach. Um die Wahrheit zu sagen, in diesem Augenblick war es ihm ziemlich gleichgültig, ob sie es tun würde oder nicht. Es war ihm noch nie so gut gegangen, und er wollte nicht zu habgierig sein.
    Der Marquis geleitete sie zum Hauptportal der Botschaft, vor dem der blaue Rolls-Royce mit funkelnder Kühlerfigur und blitzendem Chrom und dem hübschen und tadellos gekleideten Bayswater am Steuer wartete.
    «Darf ich vorn sitzen, Onkel Hypolite?»
    «Wenn Bayswater es erlaubt.»
    Der Chauffeur nickte gnädig.
    «Tante Ada auch?»
    Zu seiner Überraschung merkte Mr. Bayswater, daß er zum zweitenmal nickte. Noch nie hatte jemand außer einem Diener jemals neben ihm vorn im Rolls-Royce gesessen.
    «Auf Wiedersehn, Onkel Hypolite», sagte der Junge, lief zu dem Marquis und umarmte und küßte ihn. «Du bist wirklich ganz prima zu mir gewesen.»
    Der Marquis klopfte ihm auf die Schulter und sagte: «Auf Wiedersehn, mein kleiner Neffe und Enkel. Viel Glück, und sei schön bravl» Und zu Mrs. Harris sagte er: «Auf Wiedersehn, Madame, und auch Ihnen viel Glück. Und wenn Sie den Vater finden, ist es hoffentlich ein guter Mann, der ihn liebt.» Er blieb auf dem Gehsteig stehen, blickte ihnen nach, bis der Wagen um die Ecke gebogen war, und kehrte dann in die Botschaft zurück. Er fühlte sich nicht mehr erleichtert, sondern nur etwas einsam und ein bißchen älter.
    So fuhren Bayswater, der kleine Henry in einem neuen Anzug und neuen Schuhen — die ihm der Marquis gekauft hatte und in denen er mehr denn je wie ein kleiner Lord aussah, wie man sie im «Tatler» und in der «Queen» bewundern kann — und Mrs. Harris auf der Autobahn von Washington nach New York. Sie saßen alle drei nebeneinander vorn im Wagen, plauderten und tauschten ihre Eindrücke aus. Mrs. Harris glaubte, nie einen so eleganten und anziehenden Mann wie Mr. Bayswater in seiner grauen Whipcorduniform und der grauen Mütze mit dem Wappen des Marquis über dem Schirm gesehen zu haben. Mr. Bayswater war ein wenig verwirrt, weil ihm die Gesellschaft von Mrs. Harris so gut gefiel. Sonst hätte er auf solch einer Fahrt nur auf das sanfte, fast unhörbare Summen des Rolls-Royce gelauscht, auf das Quietschen der Reifen und das wunderbare Schweigen der Bolzen und Federn. Aber jetzt hörte er mit halbem Ohr auf die Fragen und das Geplauder von Mrs. Harris, die es sich in dem komfortablen Ledersitz bequem gemacht hatte. Er geruhte sogar, mit ihr zu sprechen, und das hatte er während seiner ganzen Fahrzeit nur 1937 einmal getan, als er Lord Bootheys neben ihm sitzenden Diener scharf anfahren mußte, er solle gefälligst geradeaus blicken, statt seine Augen überallhin schweifen zu lassen. «Ich bin durch Madison, Wisconsin, eine Stadt mit breiten Straßen und hübschen Häusern gefahren», sagte er, «aber ich bin noch nie in Kenosha gewesen. Was würden Sie als das Schönste dort bezeichnen?»
    «Etwas, das es in dem Hotelrestaurant dort gab — Pfannkuchen mit Schweinswürstchen und echtem Ahornsirup. Ach, so was Gutes hatte ich noch nie gegessen! Ich habe vier Portionen verzehrt, und danach war mir übel, aber verdammt, das war es wert.»
    «Mäßigkeit ist der Wegweiser zur Gesundheit», bemerkte Mr. Bayswater salbungsvoll.
    «Aber hören Sie mal, John», sagte Mrs. Harris, wobei sie ihn zum erstenmal mit seinem Vornamen anredete. «Haben Sie je solche Pfannkuchen gegessen?»
    Nachdem er den ersten Schock, sich von einer Frau mit dem Vornamen angeredet zu hören, überwunden hatte, verzog Mr. Bayswater den Mund zu einem säuerlichen Lächeln und sagte: «Nun, vielleicht habe ich es nicht, Ada. Aber wissen Sie, was wir tun, da Sie so auf Magenfreuden erpicht sind? Fünf Meilen weiter ist ein

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