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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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und sie rief: «Großer Gott, das ist ja der Herzog... ich meine, der Marquis... ich meine der Enkel des französischen Botschafters! Was um alles in der Welt macht der hier?»
    Obwohl Mrs. Butterfield dieses Einschlagen des Blitzes längst erwartet hatte, reagierte sie nicht so darauf, wie man es hätte vermuten müssen: Sie fiel auf die Knie, faltete die Hände und weinte: «Ach Gott, Madam, schicken Sie uns nicht ins Gefängnis! Ich bin nur eine arme Witwe und habe bloß noch ein paar Jahre zu leben.» Und dann begann sie so laut und unbeherrscht zu jammern und zu schluchzen, daß man es vom in der Wohnung hörte und Mr. Schreiber angeeilt kam.
    Zum erstenmal verlor selbst der kleine Henry seine Ruhe, als er sah, wie seine Gönnerin zu einem Elendshäufchen zusammenschrumpfte, und er brach selber aus Angst in lautes Wehegeschrei aus.
    Dieses Bild bot sich Mrs. Harris, als sie von ihrem kleinen Spaziergang zurückkam. Sie blieb einen Augenblick in der Tür stehen und betrachtete die Szene. «Ach du liebe Zeit», sagte sie dann, «jetzt ist es passiert.»
    Mr. Schreiber war ebenso verblüfft wie seine Frau, seine englische Köchin in einem fast hysterischen Zustand zu sehen, und dazu einen kleinen Jungen, dessen Bild vor nicht langer Zeit auf den Titelseiten der New Yorker Presse als Sohn eines Lords und des Enkels des französischen Botschafters in den Vereinigten Staaten geprangt hatte.
    Irgendwie hatte er, vielleicht weil Mrs. Harris die einzige in dem Drama war, die ganz ruhig und gefaßt zu sein schien, das Gefühl, daß sie die Ursache von allem war. Und tatsächlich mußte die kleine Putzfrau beim Anblick dieser Szene und im Gedanken an die sich daraus ergebenden Folgen mühsam ein Kichern unterdrücken. In ihren Augen funkelte der Schalk, denn sie gehörte zu jenen, die nie über verschüttete Milch weinen — die im Gegenteil darüber lachen, als ob das ein Scherz wäre. Sie hatte immer gewußt, daß sie eines Tages in der Schlinge stecken würde, und nun es geschehen war, hatte sie nicht die Absicht, die Nerven zu verlieren.
    «Können Sie mir das erklären, Mrs. Harris?» fragte Mr. Schreiber. «Sie scheinen die einzige hier zu sein, die noch einigermaßen bei Verstand ist. Was zum Teufel macht der Enkel des französischen Botschafters hier? Und was ist in Mrs. Butterfield gefahren?»
    «Das ist es ja eben», erwiderte Mrs. Harris. «Er ist nicht der Enkel des Marquis. Und darum kann sie nicht mehr kochen. Das arme Kind hat die Nerven verloren.» Und dann sagte sie, zu dem Jungen und ihrer Freundin gewandt: «Hör auf zu heulen, Henry! Reiß dich zusammen, Vi!»
    Und sofort hörten die beiden auf diese Ermahnung hin mit ihrem Jammern und Weinen auf. Der kleine Henry machte sich wieder an sein Essen, während Mrs. Butterfield sich mühsam erhob und ihre Augen mit der Schürze trocknete.
    «So», sagte Mrs. Harris, «jetzt ist es wohl an der Zeit, daß ich es erkläre. Dies ist Henry Brown. Er ist eine Art Waise. Wir haben ihn aus London mitgebracht, um ihm zu helfen, seinen Vater zu finden.»
    Jetzt war es an Mr. Schreiber, ein erschrockenes Gesicht zu machen. «Na, hören Sie mal, Mrs. Harris, das ist doch der Junge, dessen Bild in der Zeitung erschienen ist und von dem es dort hieß, er sei der Enkel des Marquis.»
    «Ich habe damals noch gesagt», fiel Mrs. Schreiber ein, «was für ein hübscher kleiner Junge er zu sein scheine.»
    «Das kam daher, weil der Marquis ihn für uns durch die Paßkontrolle gebracht hat», erläuterte Mrs. Harris. «Sonst hätten sie ihn nicht hereingelassen. Da der Marquis etwas sagen mußte, hat er das erfunden. Der Marquis ist ein alter Freund von mir — der kleine Henry hat, während er bei ihm war, Windpocken gehabt.»
    Mr. Schreibers Augen, die schon ein wenig herausquollen, drohten ihm aus dem Kopf zu springen, als er keuchend sagte: «Der Marquis hat ihn für Sie eingeschmuggelt? Wollen Sie damit sagen...»
    «Ich muß es wohl noch genauer erklären», erwiderte Mrs. Harris, und ohne noch einmal unterbrochen zu werden, erzählte sie die Geschichte von dem kleinen Henry, dem verlorenen Gl-Vater, den Gussets und all dem, was dann geschehen war, darunter von ihrem erfolglosen Besuch in Kenosha, Wisconsin. «Und natürlich ist die arme Vi so nervös geworden, daß sie nicht mehr kochen konnte. Wenn nichts sie bedrückt, gibt es keine bessere Köchin als Vi.»
    Mr. Schreiber ließ sich plötzlich auf einen Stuhl fallen und begann so heftig zu lachen, daß ihm die Tränen

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