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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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die Wangen hinunterliefen, während Mrs. Schreiber zu dem kleinen Henry ging, ihre Arme um ihn schlang und sagte: «Du armer kleiner Kerl. Wie tapfer bist du gewesen! Du mußt ja eine schreckliche Angst gehabt haben.»
    In einem seiner seltenen Augenblicke von Redseligkeit und Wärme, und von Mrs. Schreibers Zärtlichkeit entflammt, sagte der kleine Henry: «Wer? Ich? Wovor?»
    Mr. Schreiber hatte sich wieder so weit von seinem Lachanfall erholt, daß er sagen konnte: «Wenn das nicht das Tollste ist, was ich je gehört habe! Der französische Botschafter hat den Jungen auf dem Hals und muß sagen, er sei sein Enkel. Ist Ihnen klar, daß Sie sich dadurch in eine schlimme Lage hätten bringen können? Ja, das kann immer noch geschehen, wenn man hinter die Sache mit dem Jungen kommt.»
    «Darum habe ich ja nächtelang wach gelegen», gestand Mrs. Harris. «Es wäre alles so einfach gewesen, wenn jener Mr. Brown in Kenosha sein Vater gewesen wäre — ein Vater hat doch wohl das Recht, seinen eigenen Sohn in seinem eigenen Lande zu haben? Aber er war es nicht.»
    «Nun, und was werden Sie jetzt tun?» fragte Mr. Schreiber.
    Mrs. Harris blickte ihn düster an und antwortete nicht, aus dem einfachen Grunde, weil sie es nicht wußte.
    «Warum kann er nicht hier bei uns bleiben, bis Mrs. Harris seinen Vater ausfindig gemacht hat?» sagte Mrs. Schreiber und gab dem Kind noch einen Kuß und bekam darauf einen von ihm — ein plötzlicher Ausbruch von Zuneigung, der ihr Herz rührte. «Niemand braucht es zu wissen. Er ist solch ein lieber kleiner Junge.»
    Mrs. Butterfield watschelte auf Mrs. Schreiber zu, drehte einen Zipfel ihrer Schürze in den Fingern und sagte: «Ach, Madam, wenn Sie das doch könnten! Ich würde mir das Herz für Sie aus dem Leibe kochen.»
    Mr. Schreiber, dessen Gesicht beträchtliche Zweifel ausdrückte, ob es klug sei, Henry zu behalten, erhellte sich plötzlich, als ihm eine Lösung des Problems zu dämmern begann, und er sagte zu Henry: «Komm einmal her, mein Junge.»
    Henry stand auf, kam herüber, stellte sich vor Mr. Schreibers Stuhl und blickte ihm fest und furchtlos in die Augen.
    «Wie alt bist du?»
    «Acht, Sir.»
    «Sir! Das fängt ja gut an. Wo hast du das gelernt?»
    «Tante Ada hat es mich gelehrt.»
    «Du kannst also lernen? Das ist gut. Bist du froh, daß Mrs. Harris dich aus London hergebracht hat?»
    Der kleine Henry stieß einen tiefen Seufzer aus und antwortete: «Sehr.»
    «Möchtest du in Amerika leben?»
    Auch hier wußte der kleine Henry die richtige Antwort. «Wer möchte das nicht?» sagte er.
    «Glaubst du, daß du Baseball spielen lernen könntest?»
    Offensichtlich hatte der kleine Henry in Washington sich darin geübt. «Ha», sagte er höhnisch. «Jeder, der Kricket spielen kann, kann auch Baseball spielen. Ich habe schon einen über das ganze Feld geschlagen.»
    «Das ist aber großartig», sagte Mr. Schreiber, jetzt ehrlich interessiert. «Vielleicht können wir einen Baseballspieler aus ihm machen.»
    Es hatte ein wenig länger gedauert, aber da war dieses wunderbare Pronomen «wir» wieder. Mr. Schreiber gehörte jetzt dazu. Er sagte zu dem Jungen: «Du sehnst dich gewiß sehr danach, deinen Vater zu finden, wie?»
    Darauf antwortete der kleine Henry nicht, sondern blickte Mr. Schreiber stumm an, mit Augen, in denen sich kurz zuvor Kummer und Leid gespiegelt hatten. Da er nie einen wirklichen Vater kennengelernt hatte, konnte er sich nicht vorstellen, wie es sein würde. Wäre der Vater aber so wie Mr. Gusset, dann hätte er lieber keinen. Da jedoch alle so viel Wesens davon machten und sich sehr bemühten, diesen Vater zu finden, wollte er nicht unhöflich sein, und so sagte er, anstatt die Frage zu beantworten: «Sie sind O.K. Ich hab Sie gem.»
    Mr. Schreibers rundes Gesicht wurde vor Freude rot, und er klopfte dem Jungen auf die Schulter. «Soso», sagte er. «Nun, wir werden sehen, was wir tun können. Bis dahin kannst du bei Mrs. Harris und Mrs. Butterfield bleiben.» Er wandte sich Mrs. Harris zu: «Was haben Sie bis jetzt bei der Suche nach dem Vater des Jungen erreicht?»
    Mrs. Harris erzählte ihm, daß Mr. Brown in Kenosha ihre einzige Hoffnung gewesen sei, und jetzt, da diese Hoffnung dahingeschwunden, sei sie am Ende ihres Lateins. Sie zeigte ihm den Brief von der Luftwaffe, in dem man wissen wollte, welchen von den 453 George Browns, die einmal bei der Luftwaffe gedient hatten, sie meine, und sie bat, seinen Geburtsort, Geburtsdatum, Datum seiner

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