Der geschmuggelte Henry
Schafsweide im Central Park gingen, wo der kleine Henry, der ein Adlerauge hatte und prächtig spielen konnte, den Ball, hinter dem Mr. Schreiber dann her jagen mußte, in alle vier Ecken des Feldes schlug. Das war ausgezeichnet für Mr. Schreibers Gesundheit und sehr gut für sein inneres Wohlbefinden. Danach fütterten sie die Affen im Zoo, schlenderten durch den Park oder mieteten sich ein Boot und paddelten auf dem See. Und bald waren der Mann und der Junge unzertrennliche Freunde.
Mrs. Harris, die sich jetzt weniger um den Jungen kümmern mußte und mehr Zeit für sich hatte, da sie vor allem Beraterin des Personals war, das sorgfältig auszuwählen sie Mrs. Schreiber geholfen hatte, kam zu der plötzlichen Erkenntnis, daß sie die Suche nach dem Vater des kleinen Henry recht vernachlässigt hatte.
Es war ja sehr gut und schön, daß Mr. Schreiber sagte, wenn der Mann überhaupt zu finden sei, dann nur durch seine Firma. Aber schließlich war sie vor allem darum nach Amerika gekommen, um sich selber auf die Suche zu machen, eine Suche, von der sie einmal stolz behauptet hatte, sie werde sie zu einem erfolgreichen Abschluß bringen.
Sie erinnerte sich daran, wie sehr sie davon überzeugt gewesen war, daß sie nur nach Amerika zu fahren brauchte, um die Probleme des kleinen Henry zu lösen. Nun, jetzt war sie in Amerika, führte ein üppiges Leben und ließ die Zügel schleifen, während andere die Arbeit taten, die sie selber so zuversichtlich begonnen hatte. Das mindeste, was sie tun konnte, war, bei den New Yorker Browns nachzuforschen.
, sagte sie zu sich selbst. Und darauf nahm sie sich systematisch an Nachmittagen und Abenden und in jedem Moment ihrer freien Zeit die in den Telefonbüchern von Manhattan, Bronx, Brooklyn, Queens und Richmond verzeichneten Geo und G. Browns vor.
Obwohl sie das hätte telefonisch erledigen können, womit sie sich eine Menge Zeit und Kraft gespart hätte, lehnte es Mrs. Harris ab, die über ganz New York verstreuten Browns anzurufen und sie zu fragen, ob sie jemals bei der US-Luftwaffe in Großbritannien gedient und eine Kellnerin namens Pansy Cott geheiratet hätten. Sie suchte sie statt dessen persönlich auf, und manchmal gelang es ihr, zwei oder drei solcher Besuche an einem Tag zu machen.
Da sie mit der Londoner Untergrundbahn vertraut war, fürchtete sie sich nicht vor der New Yorker, aber bei den Bussen war es etwas anderes. Und an die Londoner Höflichkeit gewöhnt, geriet sie sehr bald mit einem der Neurotiker am Steuer eines dieser Monstren in Streit. Während er gleichzeitig versuchte, Geld herauszugeben, seinen Münzautomaten zu bedienen, die Türen zu öffnen und zu schließen, Straßennummern auszurufen und sein Vehikel durch die mit Taxen, Limousinen, Zweitonnern und Lieferwagen vollgestopften Straßen hindurchzusteuern, brüllte er sie an, sie solle nach hinten durchgehen oder Zurückbleiben, ihm sei es schnuppe.
«Ach, so ist das?» schrie Mrs. Harris zurück. «Wissen Sie, was Ihnen passieren würde, wenn Sie so in London zu mir sprächen? Sie würden sich dann auf dem Hintern sitzend mitten auf der Kings Road finden.»
Der Busfahrer vernahm einen ihm nicht ganz unvertrauten Akzent, drehte sich um und blickte Mrs. Harris an. «Hören Sie, Lady», sagte er, «ich bin im Krieg drüben gewesen. Die Burschen da drüben haben nichts weiter zu tun, als den Bus zu steuern.»
Ungerechtigkeit, die Menschen ihrer eigenen Art widerfuhr, weckte immer Mrs. Harris’ Mitgefühl. Sie klopfte dem Fahrer auf die Schulter und sagte: «Es gehört sich zwar nicht, so zu einer Dame zu sprechen, aber es ist auch unmenschlich, daß Sie all das tun müssen — ich würde mich umbringen, wenn ich das müßte. In London würden wir es nicht zulassen, aus einem Menschen eine elende Maschine zu machen.»
Der Fahrer hielt seinen Bus an und warf Mrs. Harris einen erstaunten Blick zu. «Glauben Sie das wirklich?» sagte er. «Es tut mir leid, daß ich so aus der Rolle gefallen bin, aber manchmal geht’s mit mir durch. Kommen Sie mit, ich will sehen, daß Sie einen Sitzplatz bekommen.» Ganz vergessend, daß er den Verkehr hinter sich aufhielt, erhob er sich, nahm Mrs. Harris an die Hand, drängte sich mit ihr durch den überfüllten Bus und sagte: «He, einer muß mal aufstehen und der kleinen Dame Platz machen. Sie ist aus London. Soll sie vielleicht einen schlechten Eindruck von New York bekommen?»
Drei Freiwillige erboten sich aufzustehen,
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