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Der gestohlene Abend

Der gestohlene Abend

Titel: Der gestohlene Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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darunter ein kariertes Hemd ohne Krawatte. Er nahm auf meiner Couch Platz, legte die Hände in den Schoß und wartete. Ich schaute mir das Stück Papier an, das er mir gegeben hatte. INAT stand in großen Lettern oben auf dem Bogen. Dann Davids Name und Funktion. Ich wusste gar nicht, dass David offiziell als Personal Assistant to Dr. Candall-Carruthers, Director of the De Vander Archive firmiert hatte. Der Brief war mit dem Computer geschrieben, adressiert an:
    The New York Times Literary Supplement attn. Mr. Roger Lehman Humanities Section New York, New York.
    Betr: Der gestohlene Abend
    Geschätzter Roger Lehman,
    ich habe die Absicht, Sie über einen Sachverhalt zu informieren, der für Sie von höchstem Interesse sein dürfte. Die Natur der Angelegenheit macht es erforderlich, dass ich persönlich und unter vier Augen mit Ihnen spreche. Ich werde vor meinem Weiterflug nach Tel Aviv am 2. und 3. Dezember in New York sein. Falls Sie Interesse haben, hinterlassen Sie bitte an der Rezeption des Lincoln Hotels im East Village eine Nachricht unter dem o. a. Betreff und nennen Sie mir eine Telefonnummer, unter der ich Sie erreichen kann.
    Einer Ihrer dankbaren Leser,
    David Lavell, Hillcrest University, CA.
    Ich ließ das Blatt sinken und schaute den Mann an.
    »Na? Was meinen Sie?«, fragte er.
    »Wann haben Sie das bekommen?«
    »Der Brief lag am 30. November in meiner Post. Er kam per Express und per Einschreiben, abgeschickt am Mittwoch, dem 25. November.«
    Das war unmittelbar vor unserem Ausflug nach Hearst Castle gewesen. Der gestohlene Abend? Diese merkwürdige Formulierung hatte er an dem Wochenende auch benutzt.
    »Sie können sich vorstellen, dass ich normalerweise auf solche Post nicht reagiere. Briefe dieser Art erreichen uns täglich dutzendweise. Allerdings weiß man ja nie. Daher behalten wir solche Vorgänge trotz allem immer ein Weilchen im Auge. Ich habe erst vorgestern erfahren, was mit Mr. Lavell geschehen ist.«
    Ich gab ihm den Brief zurück, lehnte mich gegen die Wand und steckte die Hände in die Taschen. Ich sollte mit diesem Mann nicht sprechen. Marian hatte uns förmlich darum gebeten.
    »Warum kommen Sie ausgerechnet zu mir?«, fragte ich.
    »Soweit ich weiß, waren Sie mit Mr. Lavell befreundet.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Der untersuchende Kommissar hat das so ausgedrückt.«
    »Sie kennen meine Aussage?«
    »Ich weiß, dass Sie befragt wurden, weil Sie mit der ehemaligen Freundin des Toten ein Verhältnis hatten. Dieser Brief...«, er hielt ihn noch einmal hoch, »...bekommt durch Mr. Lavells Unfalltod einen sehr seltsamen Beigeschmack, finden Sie nicht auch?«
    Lehman schaute mich erwartungsvoll an.
    »Was sagt denn die Polizei dazu?«, fragte ich.
    »Die Polizei weiß nichts von diesem Brief«, antwortet Lehmann. »Bisher jedenfalls nicht.«
    »Machen Sie sich da nicht strafbar?«
    »Nein. Wieso? Die kriminaltechnischen Untersuchungen haben eindeutig ergeben, dass Mr. Lavell seiner eigenen Brandstiftung zum Opfer gefallen ist. Die Ermittlungen sind abgeschlossen. Die Straftat ist aufgeklärt, der Täter nicht mehr zu belangen.«
    Gehörte dieser Brief nicht trotzdem in die Hände der Polizei? War es nicht illegal, Beweismittel wie dieses zurückzuhalten?
    »Mr. Lehman, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen. Sie sollten die Polizei informieren. Oder Miss Candall-Carruthers. Ich bin Gast hier. Ich will nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten.«
    »Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte er. »Die rechtliche Situation ist glasklar. Meinen Sie, ich hätte Lust, mich mit der Polizei anzulegen? Der Brief fällt im Moment noch unter das Pressegeheimnis, als hätte Mr. Lavell sich an einen Anwalt gewandt. Es gibt keine laufenden Ermittlungen, die durch diesen Brief beeinflusst würden. Was sollte die Polizei anhand dieses Briefes denn schon unternehmen?«
    »Nachforschungen anstellen. So wie Sie.«
    »Glauben Sie? Die haben genug mit ihren laufenden Fällen zu tun. Mr. Lavell hat mir geschrieben, nicht der Polizei.«
    Je länger ich darüber nachdachte, desto eigenartiger kam mir das alles vor. Wenn David nicht im Archiv umgekommen wäre, dann hätte er nach dem Feuer ein Flugzeug nach New York genommen? Er hätte diesen Journalisten getroffen, ihm irgendwelche Informationen gegeben, von denen er glaubte, die New York Times würde sich dafür interessieren, um dann nach Israel weiterzufliegen? Und das alles unter dem Codenamen eines gestohlenen Abends?
    Lehman erhob sich.
    »Mr. Theiss, ich

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