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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Dürfte ich bitte Ihr Telefon benutzen?«
    »Natürlich.« Der Arzt schob Nastja den Apparat über den Tisch. »Sie müssen eine Neun vorwählen.«
    Nastja wählte Olschanskijs Nummer.
    »Hier spricht die Kamenskaja, guten Abend. Gibt es etwas Neues?«
    »Ja«, sagte der Untersuchungsführer mit seiner dünnen Tenorstimme. »Das Gutachten für die Kassetten ist gekommen.«
    »Und?« Nastjas Herz begann heftig zu klopfen.
    »Auf der Kassette Nummer eins wurde eine Nachricht gelöscht. Keine einzige der vorhandenen Nachrichten auf dieser Kassette stammt von der Jeremina, ihre Stimme wurde nicht identifiziert. Bist du zufrieden?«
    »Ich weiß es noch nicht, ich muss darüber nachdenken.«
    »Dann denk mal schön nach. Morgen bin ich den ganzen Tag nicht im Büro. Wenn du mich brauchen solltest, erreichst du mich über die Miliz im nördlichen Bezirk, Abteilung Otradnoje.«
    Aus der psychiatrischen Klinik, in der Dr. Maslennikow arbeitete, fuhr Nastja zu sich nach Hause, in die Stschelkowskoje-Chaussee. Während der langen Fahrt kam sie erneut zu dem Schluss, dass ihr Verdacht gegen Boris Kartaschow keinesfalls unbegründet war. Wenn jemand außer Kartaschow selbst daran interessiert gewesen wäre, die Nachricht zu entfernen, hätte er das ganze Band gelöscht oder die Kassette verschwinden lassen. Aber Boris bewahrte die besprochenen Kassetten für alle Fälle auf, und deshalb hatte er die eine Nachricht gelöscht, die ihn der Teilnahme an der Ermordung von Vika Jeremina überführt hätte. Nastja war sich fast sicher, dass die gelöschte Nachricht das Geheimnis von Vikas Verschwinden barg.
    * * *
    Nastja übergab Gordejew das Blatt mit ihren Aufträgen für Mischa Dozenko und schloss sich danach in ihrem Büro ein. Heute wollte sie einen Tag am Schreibtisch verbringen. Es war an der Zeit, ihre Gedanken zu ordnen und die gesammelten Informationen zu systematisieren.
    Sie stellte den Wasserkocher an, holte eine Dose mit Instantkaffee und ein Paket Würfelzucker aus dem Schreibtisch, zog den Aschenbecher näher zu sich heran, beschrieb einige Blätter Papier mit nur ihr selbst verständlichen Überschriften und vertiefte sich in die Arbeit.
    Die Zeit verging, der Aschenbecher füllte sich mit Zigarettenkippen, die Blätter mit Sätzen, einzelnen Wörtern, Quadraten, Kringeln und Pfeilen . . .
    Als es an der Tür klopfte, beschloss Nastja, nicht zu öffnen. Ihr Chef konnte es nicht sein, er hätte sie über das interne Telefon angerufen, wenn er sie gebraucht hätte. Und vor Begegnungen mit ihren Kollegen fürchtete sie sich ein wenig. Sie wollte niemandem freundlich lächelnd in die Augen sehen und sich dabei die unvermeidbare Frage stellen müssen: Bist du vielleicht derjenige, von dem Knüppelchen gesprochen hat?
    Doch das Klopfen hörte nicht auf. Nastja ging zur Tür und drehte den Schlüssel im Schloss um. Vor ihr stand Wolodja Larzew.
    »Verzeih, Nastja, ich muss dringend telefonieren, und in unserem Büro hängt Korotkow an der Strippe.«
    Larzew war grau im Gesicht, seine Augen waren eingefallen, im Lauf des letzten Jahres war er sehr schmal geworden. Als er die Telefonnummer wählte, bemerkte Nastja, dass seine Hände zitterten.
    »Nadja? Wo warst du?. . . Du hast heute fünf Unterrichtsstunden gehabt, du hättest spätestens um halb zwei zu Hause sein müssen . . . Ach so, dann ist es gut. . . Hast du etwas gegessen?. . . Warum nicht?. . . Bist du gerade erst nach Hause gekommen?. . . Hast du Noten bekommen? . . . Sehr gut . . . du bist ein braves Mädchen . . . Zu welcher Freundin?. . . Welche Julia?. . . Ist sie aus deiner Klasse?. . . Aus dem Nachbarhaus?. . . Wie hast du sie denn kennen gelernt?. . . Im Hof?. . . Wann?. . . Nadjuscha, vielleicht ist es besser, wenn Julia zu uns nach Hause kommt, ihr könnt doch auch bei uns spielen . . . Ach so, ihr wollt Computerspiele machen . . . Dann ist es natürlich etwas anderes. Hat Julia Telefon?. . . Du weißt es nicht?. . . Wie heißt sie denn mit Nachnamen?. . . Das weißt du auch nicht? . . . Dann wenigstens die Adresse, die Wohnungsnummer . . . Auch nicht? Gut, dann machen wir es so. Du isst jetzt etwas, in einer halben Stunde rufe ich dich wieder an, und wir besprechen die ganze Sache noch einmal. Vergiss nicht, dass auf dem Fensterbrett ein Topf mit Kompott steht. Bis nachher.«
    Larzew legte auf und sah Nastja schuldbewusst an.
    »Darf ich noch einmal telefonieren?«
    »Natürlich. Aber du bist ja ein richtiger Zerberus, Wolodja. Warum darf deine Tochter

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