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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Haben Sie die Tür abgeschlossen?«
    »Ja . . . ich glaube . . .«
    »Haben Sie abgeschlossen oder nicht?«
    »Nun ja . . . nicht immer. Wenn ich für länger hinausgegangen bin, dann schon, aber wenn es nur für kurze Zeit war . . .«
    »Alles klar. Geben Sie mir den Schlüssel. Sie sind ein Schussel, und ich kann nicht warten, bis Sie sich besonnen haben, dazu ist das Risiko zu groß. Sie haben zweifellos Fähigkeiten, Sie könnten ein guter Kripobeamter werden, aber Talent allein genügt leider nicht. Sie müssen lernen zu lernen, dann kann etwas aus Ihnen werden. Und Sie müssen an Ihrem Charakter arbeiten. Schüchternheit und Feigheit in Kombination mit Selbstgewissheit – das ist eine katastrophale Mischung. Damit kommen Sie nicht weit.«
    Oleg zog wortlos seine Jacke an, nahm den Schlüssel aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch. Nastja zog sich ebenfalls an, hängte sich ihre riesige Sporttasche, mit der sie sommers wie winters herumlief, um die Schulter und schloss den Schlüssel im Safe ein.
    »Bitte seien Sie mir nicht böse, Oleg«, sagte sie trocken zum Abschied. »Unsere Arbeit ist wirkliche Arbeit und keine Spielerei. Vielleicht war ich zu streng mit Ihnen, aber Sie haben es verdient.«
    »Ich bin nicht böse«, erwiderte Mestscherinow verstört.
    . . . Das Läuten des Telefons ließ Nastja zusammenzucken. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war halb zwei Uhr nachts. Wer rief um diese Uhrzeit an?
    »Anastasija Pawlowna?« Nastja vernahm eine angenehm klingende Männerstimme in der Leitung.
    »Ja. Und wer sind Sie?«
    »Wie fühlen Sie sich?«, erkundigte sich der Mann vergnügt, ohne auf Ihre Frage einzugehen.
    »Bestens. Wer sind Sie?«
    »Ich glaube, dass Sie die Unwahrheit sagen, Anastasija Pawlowna. Sie fühlen sich schlecht. Sie haben Angst. Ist es nicht so?«
    »Nein, so ist es nicht. Was wollen Sie?«
    »Hören Sie zu, Anastasija Pawlowna, ich will vorläufig überhaupt nichts von Ihnen, außer einem. Ich will, dass Sie darüber nachdenken, wie Ihnen heute Nacht zumute ist.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich möchte, dass Sie sich gut merken, wie Sie sich jetzt fühlen, damit Sie auch morgen noch wissen, was für eine unvergessliche Nacht Sie gemeinsam mit Ihrer Angst verbracht haben. Ich möchte, dass Sie eines verstehen: Diese Nacht ist nur eine kleine Kostprobe für Sie, damit Sie den Geschmack der Angst kennen lernen. Das nächste Mal werden Sie den Kelch bis zur Neige leeren müssen. Möchten Sie etwa, dass Ihrem Stiefvater etwas zustößt?«
    »Was tut mein Stiefvater zur Sache? Ich verstehe Sie nicht.«
    »Sie verstehen mich sehr gut, Anastasija Pawlowna. Ihr Stiefvater hat ein Auto, aber er ist kein reicher Mann und kann sich keine Garage leisten. Sie wissen sehr gut, was mit Autos passiert, die die ganze Nacht unbewacht auf der Straße stehen.«
    »Sie werden gestohlen. Ist es das, womit Sie mir drohen wollen?«
    »Diese Autos werden nicht nur gestohlen. Mit ihrer Hilfe werden Verbrechen begangen, die anschließend den Besitzern dieser Autos zugeschrieben werden. Und für die ist es dann nicht einfach zu beweisen, dass sie nicht selbst am Steuer gesessen haben. Möchten Sie Leonid Petrowitsch ein Vergnügen dieser Art bereiten? Außerdem werden Autos, die unbewacht herumstehen, manchmal mit einem Sprengsatz versehen. Manchmal wird auch das Lenkgetriebe angesägt. Auch die Bremsen sind ein beliebtes Objekt der Manipulation. Möchten Sie, dass so etwas passiert?«
    »Nein, das möchte ich nicht.«
    »Das ist gut, Anastasija Pawlowna«, sagte der Mann. »Es wäre dumm von Ihnen, das zu wollen. Vorläufig besteht für Sie keinerlei Gefahr, aber wenn Sie sich in Zukunft falsch verhalten sollten, werden Sie eine Angst erleben, die weit über die heutige hinausgeht. Heute fürchten Sie nur um sich selbst. Aber morgen werden Sie um andere fürchten müssen, um Menschen, die Ihnen sehr nahe stehen. Und diese Angst ist noch sehr viel unangenehmer als die Angst um sich selbst, sie ist geradezu unerträglich, falls Sie das noch nicht wissen sollten. Gute Nacht, Anastasija Pawlowna.«
    Nastja legte den Hörer wieder auf die Gabel, so vorsichtig, als könnte das Telefon dadurch explodieren. Der Anrufer hatte sich völlig klar und unmissverständlich ausgedrückt: Ermittle ruhig weiter im Fall Jeremina, bleibe bei der Version eines Mordes aus persönlichen Motiven, und es wird dir nichts geschehen. Nur komm nicht auf die Idee, anderen Spuren zu folgen. Nun, dachte Nastja, es liegt nur an dir, du

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