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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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roten Jacke und mit der schwarzen Pelzmütze auf dem Kopf. Sie wusste, dass man ihr inzwischen wieder auf der Spur war und dass man ihr wahrscheinlich bis zu ihrem Haus folgen würde. Deshalb rief sie von unterwegs nirgends an, um ihre Verfolger nicht nervös zu machen und zu erneuten nächtlichen Telefonattacken zu provozieren. Sie betrat einige Geschäfte, um etwas einzukaufen, und dachte mit Genuss an das köstliche Abendessen, das Ljoscha Tschistjakow zubereiten würde.
    Der Besuch bei der Redaktion der Zeitschrift ›Kosmos‹ war leider nur von halbem Erfolg gekrönt gewesen. Sergej Bondarenko arbeitete tatsächlich dort, aber er befand sich nicht an seinem Arbeitsplatz, weil er krank war. Nastja rief bei ihm zu Hause an, aber niemand meldete sich. Es war ärgerlich, den gewonnenen Zeitvorsprung wieder zu verlieren, aber es ließ sich nicht ändern. Sie saß zusammen mit Kartaschow im Auto unweit des Hauses, in dem Bondarenko wohnte, und rief alle Viertelstunde von einer Telefonzelle aus an. Endlich, gegen sechs Uhr abends, nahm eine Frau den Hörer ab und teilte mit, dass Sergej erst gegen zehn Uhr nach Hause kommen würde. Deshalb musste Nastja Tschernyschew bitten, das Gespräch mit Bondarenko zu führen. Er sollte nicht bis zehn Uhr warten, sondern versuchen, den Redakteur so schnell wie möglich zu finden. Man musste die Zeit nutzen, solange sie Nastja in der Poliklinik wähnten, es zählte jede Minute. Schon morgen würden sie ihr wieder auf Schritt und Tritt folgen und über alle Vorgänge im Bilde sein, sofern es Nastja nicht gelingen würde, sie auch weiterhin an der Nase herumzuführen.
    * * *
    Das auf geringste Lautstärke eingestellte Telefon schnarrte kaum hörbar, aber Arsenn wachte trotzdem auf. Er warf einen Blick auf das Display und stellte die Lautstärke auf null. Jetzt war nur noch am Blinken des roten Signallämpchens zu erkennen, dass jemand anrief. Arsenn nahm nicht ab. Neben ihm schlief seine Frau.
    Nach einigen Sekunden blinkte das Lämpchen erneut auf. Der dritte Anruf kam pünktlich um 2.05 Uhr. Arsenn stieg vorsichtig aus dem Bett und schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Drei Anrufe in der Zeit zwischen 2.00 und 2.05 Uhr – das bedeutete, dass ein sofortiges Treffen am vereinbarten Ort erwünscht war. Der Behinderte hatte das ihm gesandte Zeichen weitergeleitet.
    Arsenn zog sich rasch an, schlüpfte in eine dunkle warme Jacke, schloss leise die Tür auf und verließ die Wohnung. Er ärgerte sich stets über den Schmutz und die Dunkelheit in den Moskauer Straßen, aber in diesem Moment war er der Stadtverwaltung dankbar dafür, dass sie die Stadt so verwahrlosen ließ. Nachts begegnete man auf den Straßen kaum Passanten.
    Er ging schnellen, elastischen Schrittes, und nach einer Viertelstunde erblickte er eine stattliche Gestalt an einer Straßenecke.
    »Was ist los?«
    »Sie haben Kontakt zur Zeitschrift ›Kosmos‹ aufgenommen.«
    »Wann?«
    »Heute.«
    »Wie haben Sie es erfahren?«
    »Der stellvertretende Chefredakteur hat es mir mitgeteilt.«
    »Haben Sie Bondarenko gefunden?«
    »Bis jetzt offenbar noch nicht. Aber morgen werden sie ihn mit Sicherheit finden, das heißt heute schon.«
    »Der Teufel soll dieses Weibsbild holen!«, presste Arsenn zwischen den Zähnen hervor. »Wie konnte sie auf die Zeitschrift kommen? Wer hat sie auf diese Idee gebracht, was glauben Sie?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Der Einzige, über den eine Verbindung zwischen Vikas Albträumen und der Zeitschrift bestand, war Kosarj. Aber er ist schon seit zwei Monaten nicht mehr unter den Lebenden.«
    »Und der Autor? Ich meine den, der über diese Geschichte geschrieben hat. Kann es sein, dass sie ihn ausfindig gemacht hat?«
    »Ich glaube, nicht. . .«
    »Ich frage Sie nicht danach, was Sie glauben oder nicht. Ich will wissen, ob das im Prinzip möglich ist.«
    »Da sie sich in der diesseitigen Welt befindet und nicht in der jenseitigen, ist es wahrscheinlich möglich.«
    »Wahrscheinlich, wahrscheinlich«, spottete Arsenn gehässig. »Wissen Sie, worin Ihr Unglück besteht, Sergej Alexandrowitsch? Sie können nicht einmal dann ehrlich sein, wenn es lebensnotwendig für Sie selbst ist. Warum haben Sie von Anfang an ein falsches Spiel gespielt? Warum haben Sie mir nicht gleich gesagt, dass Sie ein Büro in Paris haben? Wenn die Kamenskaja Smeljakow auf der Spur sein sollte, dann möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken. Selbst wenn wir ihr den Hahn abdrehen würden, würde das nichts mehr

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