Der gewagte Antrag
wichtiger, dass sie jetzt die Nerven behielt. “Angenommen, Sie sollten ermordet werden, dann hätte der Angreifer Sie jederzeit töten können und an weitaus übersichtlicherer Stelle”, antwortete Chad beschwichtigend. “Hier sind wir zumindest etwas geschützt. So, ich verschwinde jetzt.”
“Und was ist, wenn Sie nicht zurückkommen?”, erkundigte Elinor sich beklommen. Das Herz pochte ihr zum Zerspringen, denn sie fürchtete nicht nur um Newcomes Leben, sondern auch um das eigene.
“Dann beten Sie zu Gott, dass er Sie rettet”, erwiderte Chad ruhig. “Doch noch gibt es keinen Anlass zu verzweifeln, auch wenn wir in einer sehr gefährlichen Situation sind. Rühren Sie sich nicht vom Fleck und warten Sie auf mich. Vielleicht gelingt es mir, den Verbrecher außer Gefecht zu setzen.”
Im Nu war Newcome fortgehuscht, und Elinor rückte noch tiefer zwischen die schutzbietenden Steine. Ihr fiel ein, dass Aisgill den Standpunkt vertreten hatte, Newcome sei früher Kavallerist und wahrscheinlich sogar ein sehr guter Soldat gewesen. Das befehlsgewohnte und scharfsinnige Verhalten, das Newcome zeigte, ließ tatsächlich darauf schließen, dass er einst eine verantwortungsvolle Position bekleidet hatte. Diese Erkenntnis verstärkte die Hoffnung, dass die Sache vielleicht doch kein allzu schreckliches Ende nahm. Elinor schickte ein Stoßgebet zum Himmel, der Allmächtige möge verhüten, dass Newcome ein Leid widerfuhr. Überrascht merkte sie, dass sie zuerst für ihn gebetet hatte, ehe sie Gott um Beistand für sich selbst anflehte.
Quälend langsam verstrich die Zeit, und plötzlich fielen zwei Schüsse. Danach war alles totenstill.
Chad erinnerte sich, dass er schon einmal einen Scharfschützen ausgekundschaftet hatte, von dem er und seine Männer aus dem Hinterhalt angegriffen worden waren. Wann und wo sich das ereignet hatte, konnte er jedoch nicht sagen. Wachsam, sich flach auf der Erde haltend, kroch er so unauffällig wie möglich in großem Bogen durch das Gestrüpp zu einem etwas unterhalb der Stelle entfernten Punkt, von dem die Countess of Malplaquet beschossen worden war. Seither war nichts mehr geschehen, und auch jetzt war dort keine Bewegung zu erkennen. Chad war überzeugt, dass der Schütze ihn und Ihre Ladyschaft schon während des Ausrittes aus sicherem Abstand verfolgt hatte. Er hätte den unguten Vorahnungen nachgeben und Lady Malplaquet notfalls mit Gewalt nach Campions zurückbringen sollen. Nun hatte er nur eine Kugel in der Pistole und musste sich eines Mannes erwehren, der wahrscheinlich mit einem Karabiner und möglicherweise sogar mit einem Paar Trombons bewaffnet war.
Plötzlich sah er ihn und das an einen abgestorbenen Baum gebundene Pferd des Wegelagerers. Der Kerl lag auf der Lauer, das Gewehr zum sichereren Zielen auf einen Stein gestützt. Daneben erkannte Chad tatsächlich zwei griffbereit hingelegte kurzläufige Pistolen. Offenbar hatte der Halunke, der bestimmt nicht zum ersten Male jemanden aus dem Hinterhalt überfiel, sich seit dem Schuss auf Lady Malplaquet nicht von der Stelle bewegt. Er wartete eindeutig darauf, dass seine Opfer die Deckung verließen und er sie erneut vor die Flinte bekam.
Von der Stelle, wo Chad sich befand, konnte er nicht auf ihn schießen. Fast geräuschlos bewegte er sich auf ihn zu. Sobald er nah genug herangekommen war, griff er nach einem Steinchen, schleuderte es nach dem Mann und traf ihn am Rücken. Im Nu war er auf den Beinen und rannte auf den Unbekannten zu. Vermutlich aus der Erwägung, dass es zu lange dauern würde, das Gewehr zu heben und zu visieren, ließ der Schurke es fallen, griff hastig nach einem Trombon und sprang auf. Behend wirbelte er in die Richtung herum, aus der das Steinchen gekommen war, hob die Waffe und legte auf Chad an. Der Angreifer zeichnete sich klar vom dämmrigen Himmel ab und bot ein ausgezeichnetes Ziel. Es ging um Leben oder Tod. Chad schoss und traf den Wegelagerer in die Brust. Der Mann stürzte vornüber und zog noch im Fallen den Abzug. Ein Schuss löste sich, doch die Kugel flog irgendwo zwischen die Farne. Der Knall erschreckte das Pferd. Es bäumte sich auf, riss sich los und ging durch.
Chad warf sich wieder auf die Erde und suchte Deckung. Der Gegner war vielleicht nur verletzt und stellte sich tot, um ihn zu täuschen. Möglicherweise hatte er sogar zwischen den Felsen verborgene Komplizen. Chad glaubte es zwar nicht, hielt es indes für ratsamer, abzuwarten und kein unnötiges Risiko auf
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