Der gewagte Antrag
sich zu nehmen.
Misstrauisch harrte er eine Weile aus und stand dann auf, nachdem sich nirgendwo etwas bewegt hatte. Immer noch argwöhnisch, schlich er zu dem reglos ausgestreckten Körper und drehte ihn um. Eine tiefe Wunde klaffte über dem Herzen; Blut rann aus dem Mund und tropfte aus dem rötlichen Bart. Irgendwie kam der Kerl Chad bekannt vor, und auch die Kleidung war ihm eigenartig vertraut. Er konnte sich jedoch nicht erinnern, wo er ihm schon einmal begegnet war, zuckte mit den Schultern und fluchte über das verlorene Gedächtnis. Rasch bückte er sich, hob das Gewehr auf und betrachtete es genau. Es war eine hervorragend gearbeitete Waffe, mit langem, kunstvoll verziertem Lauf und eleganten Perlmutteinlagen am Kolben. Der Preis für dieses Schmuckstück war gewiss so hoch gewesen, dass der tote Verbrecher ihn bestimmt nicht hatte zahlen können.
Auch bei der Flinte hatte Chad das Gefühl, sie bereits gesehen zu haben. Er furchte die Stirn, denn es strengte ihn jedes Mal an, wenn er sich zu erinnern trachtete. Behutsam legte er die Waffe ins Gras und rannte, da Vorsicht nicht mehr vonnöten war, zu der Countess of Malplaquet zurück. Vermutlich hielt sie ihn nach den zwei gefallen Schüssen für tot und fürchtete sich davor, ebenfalls umgebracht zu werden. “Keine Angst, Mylady!”, rief er ihr kurz vor der Felsengruppe zu. “Es gibt niemanden mehr, der Ihnen ein Leid antun könnte.”
Beim Geräusch nahender Schritte war sie erschrocken zusammengezuckt, doch als sie Newcomes Stimme vernahm, atmete sie erleichtert auf und fragte besorgt: “Ist Ihnen etwas passiert?”
“Nein. Sie können jetzt aus dem Versteck kommen.”
Langsam kroch sie unter der überhängenden Gesteinsplatte hervor. Vom Sturz aus dem Sattel und dem langen, verkrampften Liegen tat ihr alles weh. Schwankend richtete sie sich auf und wäre gefallen, hätte Newcome sie nicht rechtzeitig in die Arme genommen und gestützt. Sekundenlang schmiegte sie sich an ihn und war froh, bei ihm geborgen zu sein. “Dem Himmel sei Dank, dass Sie unverletzt sind”, flüsterte sie bewegt. “Alles war nur meine Schuld.”
Chad antwortete nicht. Jäh war ihm bewusst geworden, dass sie sich nun ganz allein im Moor befanden, der Nacht und dem Wetter ausgesetzt, und niemand ahnte, wo sie sich aufhielten. Doch ungeachtet der widrigen Umstände genoss er es, Lady Malplaquet an sich zu spüren, und konnte sich nur schwer überwinden, sie sachte von sich zu schieben.
“Was ist vorgefallen?”, erkundigte sie sich und schaute ihn ängstlich an. “Ich habe zwei Schüsse gehört. Sind Sie wirklich nicht verwundet? Wo ist der Kerl, der auf mich geschossen hat?”
Sie machte Anstalten, ihn zu suchen, doch rasch hielt Chad sie zurück. “Nein, Madam”, sagte er ruhig. “Es ist besser, nicht zu ihm zu gehen. Er ist tot.”
“Tot?”, wiederholte sie bestürzt. “Nun, er wollte Sie umbringen. Also mussten Sie ihn zuerst erschießen.”
“Ja, ich hatte keine andere Wahl. Dennoch tut es mir leid.”
“Oh, das ehrt Sie.”
“Nein, so hatte ich es nicht gemeint”, widersprach Chad grimmig. “Jetzt kann ich nicht mehr herausfinden, warum er uns aufgelauert und in wessen Auftrag er gehandelt hat. Einen Toten kann ich nicht befragen.”
“Vermutlich war er ein Luddit, der mich aus Hass auf die Reichen töten wollte.”
“Vielleicht”, erwiderte Chard ausweichend, dachte an das so gar nicht zu einem revoltierenden Arbeiter passende prachtvolle Gewehr und überlegte, wer der Countess of Malplaquet feindlich gesonnen sein mochte. Möglicherweise war es jemand, der von ihrem Ableben profitierte. Doch es hatte keinen Sinn, das zu äußern. Dadurch hätte er sie nur noch mehr verstört. Viel wichtiger war jetzt, sie heimzubringen.
5. KAPITEL
I hre Ladyschaft und Chad Newcome waren noch immer nicht da, obwohl sie vom Ausritt längst hätten zurück sein müssen. Die Unruhe, die Stuart seit einiger Zeit befallen hatte, verstärkte sich mehr und mehr, und er grübelte darüber nach, was er unternehmen solle. Plötzlich sah er John Henson über den Hof kommen. Der Verwalter duckte sich vor dem bitter kalten Wind, der vor einer Weile eingesetzt hatte.
“Was hat das zu bedeuten?”, herrschte John den Stallmeister an. “Vor einer Stunde war eine Besprechung mit Lady Malplaquet anberaumt, und nun höre ich von der Haushälterin, dass Mylady noch nicht in Campions ist. Dabei ist es fast dunkel! Wohin ist sie geritten, und wer begleitet sie?”
“Ich
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