Der gewagte Antrag
liebkosen. Er war so stark und kräftig, dass sie sich klein und zerbrechlich vorkam, ein Gefühl, das sie nicht minder herrlich fand.
Plötzlich wurde Chad bewusst, was er tat, und jäh gewann sein Ehrgefühl die Oberhand über das Verlangen. Entschlossen löste er sich von Elinor und sagte gepresst: “Nein, das dürfen wir nicht! Es ist nichts Ungewöhnliches, dass ein Mann und eine Frau nach gemeinsam überstandener Gefahr zueinander finden.”
Elinor war enttäuscht, dass Chad sich ihr entzogen hatte. “Und du glaubst, wir hätten uns nur deshalb geküsst?”, fragte sie erstaunt.
“Ja”, antwortete er knapp, doch es war, so weit es ihn betraf, eine schändliche Lüge. Über Elinors Beweggründe war er sich nicht so sicher.
“Du irrst dich”, murmelte sie schläfrig und schmiegte sich fester in seinen Arm. Es war angenehm, sich an diesen starken Mann kuscheln zu können. “Ich habe schon lange vor dem heutigen Tage meine Zuneigung zu dir entdeckt.”
Er schwieg, und nach einer Weile merkte er, dass Lady Malplaquet eingeschlummert war. Es bewegte ihn zutiefst, dass sie ihm eingestanden hatte, ihn zu mögen. Er hauchte ihr einen letzten Kuss auf die Stirn und fragte sich, was sie denken würde, wenn sie erwacht und wieder die Countess of Malplaquet, er hingegen nur einer ihrer Reitknechte war. Würde sie sich dann noch daran erinnern, was er getan und wie sie darauf reagiert hatte?
Nachdenklich hielt er sie an die Brust gedrückt und war nicht imstande, Schlaf zu finden. Lady Malplaquet ruhte in seinen Armen, den Kopf leicht in den Nacken gelegt. Hin und wieder regte sie sich, und ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Alles Begehren war geschwunden und hatte dem Gefühl Raum gemacht, sie zu beschützen. Er hatte einen Mann getötet, um ihr das Leben zu retten, und würde es wieder tun, sollte es notwendig sein.
Stunden später vernahm er Rufe und das Geräusch nahender Reiter. Dann erkannte er schwankende Lichter und wusste, dass die Countess und er bald gerettet waren. Und wieder befürchtete er, dass sie im hellen Licht des Tages vergessen oder leugnen würde, was zwischen ihnen geschehen war. Aber er war sicher, dass er zu seinen Gefühlen stehen würde. Da man ihn nicht mit Ihrer Ladyschaft in dieser verfänglichen Situation antreffen durfte, schlüpfte er vorsichtig aus der Jacke und hüllte Lady Malplaquet darin ein. Sie murmelte etwas im Schlaf und streckte tastend die Hand aus, doch er lehnte sie rücksichtsvoll gegen den Felsen, stand auf und entfernte sich ein Stück. Erst in einigem Abstand zu ihr machte er sich dem Suchtrupp bemerkbar.
Stuart hörte die Rufe und sagte, sobald er Newcomes angesichtig wurde, voller Erleichterung: “Dem Himmel sei Dank! Ist Mylady in Sicherheit? Ich habe es geahnt, dass sie mit Ihnen hier hergeritten ist. Was ist passiert? Warum ist Rajah allein heimgerannt? Wo ist Vulkan? Ist er etwa auch durchgegangen?”
“Ich muss mit Ihnen unter vier Augen sprechen, ehe die anderen hier sind”, erwiderte Chad, während der Stallmeister absaß. Er wies auf die halb hinter den Steinen verborgene Countess, nahm ihn bei der Hand und zog ihn zu der Stelle, wo der tote Rotfuchs lag. “Er wurde von einer Kugel getroffen”, erklärte er und berichtete rasch, was sich ereignet hatte.
Zunächst hatte Stuart ihm ungläubig zugehört, doch der Anblick des getöteten Wegelagerers und des Gewehres überzeugten ihn vom Wahrheitsgehalt der Geschichte.
“Mir wäre es lieber gewesen, den Kerl lebend in meine Gewalt zu bringen”, sagte Chad ernst. “Dann hätten wir vielleicht herausbekommen, warum er Ihre Ladyschaft angegriffen hat. Aber mir blieb keine andere Wahl, als ihn zu erschießen.”
“Ja”, stimmte Stuart ihm zu. “Als guter Bediensteter und als erfahrener Soldat haben Sie nur Ihre Pflicht getan, Newcome, und dafür gesorgt, dass Mylady kein Haar gekrümmt wurde.”
Lärm weckte Elinor, und schlaftrunken erkannte sie viele mit Laternen ausgerüstete Reiter. Müde erhob sie sich und ging schwankend, Newcomes Jacke fester um die Schultern ziehend, zu ihnen.
Erst jetzt bemerkte Stuart, dass der Reitknecht in der kalten Nachtluft zitterte. “Gib ihm eine Decke, damit er es wärmer hat!”, befahl er einem Stallburschen.
“Ich … es tut mir leid, dass Sie unseretwegen herkommen mussten”, murmelte Elinor verlegen. “Aber Newcome war sehr tapfer. Er hat mir das Leben gerettet.”
Stuart sah, dass Ihre Ladyschaft müde und erschöpft war. “Beeilen wir uns,
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