Der gewagte Antrag
wieder mit Worten. Warst du früher vielleicht Advokat und nicht Soldat?”
Er musste lachen, ließ Elinor los und schlenderte neben ihr durch die Galerie. Schweigend lauschte er den Erläuterungen, die sie ihm über ihre Ahnen gab, und dachte daran, wie kühn sie die Kluft überbrückt hatte, um ihn zu bekommen. Und es ging ihm durch den Sinn, dass er, nachdem er sich von der ersten Überraschung über den Heiratsantrag erholt hatte, der Stimme seines Herzens gefolgt war und Nell ihm nun, nach der Trauung, ganz angehören würde.
“Ich frage mich, wie mein Großvater reagiert hätte, wäre er heute noch am Leben. Er hat mir jedoch einmal erklärt, dass alle Menschen sich gleichen, wenn sie die Kleidung abgelegt haben. Wir beide sind daher nicht mehr Countess und Sekretär, sondern Nell und Chad, eine Frau und ein Mann.”
“Nell und Chad”, wiederholte er ernst. “Ja, so soll es hinfort sein. Du wirst es gewiss nicht bereuen?”
“Nein, und mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Ich weiß, dass wir uns lieben und Campions gut verwalten werden. Mehr zählt nicht für mich. Das sind doch herrliche Vorzeichen für eine wunderbare gemeinsame Zukunft, nicht wahr?”
Chad nickte und hörte den Geschichten zu, die Elinor ihm über die längst verblichenen Damen und Herren auf den Bildern zu berichten wusste. Er dachte an das Dunkel, das seine Vergangenheit umfing, und die Helligkeit, die seine Zukunft erleuchtete. Bisher hatte er geglaubt, er könne sich mit dem Verlust des Gedächtnisses abfinden, doch nun überkam ihn unvermittelt das Bedürfnis, endlich zu wissen, wer er wirklich war. Es war ihm bekannt, dass der Verwalter und der Konstabler sich bemüht hatten, Erkundigungen über ihn einzuholen, die indes ergebnislos geblieben waren.
Nachdem Elinor den Rundgang durch die Galerie beendet hatte und sie auf dem Rückweg zu ihren Beratern waren, schlug Chad vor: “Vielleicht können wir, wenn wir eine Weile verheiratet sind, herauszufinden versuchen, wer ich früher war, woher ich kam und warum ich im Moor aufgefunden wurde.”
“Ja”, stimmte Elinor zu. “Da ich nicht will, dass es zwischen uns Geheimnisse gibt, muss ich dir etwas gestehen. Bevor Jackson im vergangenen Monat aus Campions abreiste, habe ich ihn beauftragt, Nachforschungen über dich anzustellen. Vor zwei Tagen erhielt ich von ihm einen Brief, in dem er mir mitteilte, sie hätten nichts erbracht. Er habe überall in der Gegend die Leute nach dir befragt, doch niemand hat dich gesehen, bevor du von Outhwaite im Moor herumwandernd aufgefunden wurdest. Außerdem hat Jackson etwas geschrieben, was ich seltsam finde. Er ist überzeugt, dass es zwischen dir und dem Gewehr eine Verbindung gibt, und will, sobald er aus dem Norden zurück ist, nochmals nach London fahren, um erneut mit Halstead über die Waffe zu reden. Er möchte von ihm wissen, ob sie verkauft, verlegt oder gestohlen wurde. Halsteads Antwort könnte eine zu Langton führende Spur sein, oder sogar, auch wenn es unwahrscheinlich klingen mag, das Geheimnis um deine Vergangenheit lüften.”
“In diesem Sinn hat Jackson sich auch mir gegenüber geäußert”, sagte Chad stirnrunzelnd. Wie immer, irritierte es ihn auch jetzt, Lord Halsteads Namen zu hören. “Abgesehen davon, dass ich die Flinte neben dem Schützen gefunden habe, ist mir jedoch kein Zusammenhang zwischen ihr und mir erkenntlich.”
“Lass uns nicht davon reden, Chad, Liebster”, entgegnete Elinor, bekümmert über seine unglückliche Miene, und ergriff seine Hand. “Ich heirate dich, wie du heute bist, und nicht den Menschen, der du früher warst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du etwas Schlechtes getan hast, denn wir alle wissen, dass du ein guter, ehrlicher Mensch bist. Selbst Henson und Aisgill haben das zugegeben. Vielleicht warst du unglücklich, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen dunklen Fleck in deiner Vergangenheit gibt. Heute Abend dinieren wir in kleinem Kreis, und danach ziehen wir uns, um dem Anstand Genüge zu tun, in unsere jeweiligen Räume zurück. Vor der Trauung ist meine Tante bei mir, und Challenor wird zu dir kommen. Wir sehen uns erst in der Kapelle wieder. Henson kann den Brautführer machen, und Aisgill dir zur Seite stehen.”
“Dann trennen wir uns heute Abend für ein Wiedersehen und nicht für einen Abschied, wie du mir bei unserer letzten Begegnung zu verstehen gegeben hast. Ich hoffe aus tiefster Seele, dass du deine heutige Entscheidung nie bedauern wirst,
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