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Der Gewinner Geht Leer Aus

Der Gewinner Geht Leer Aus

Titel: Der Gewinner Geht Leer Aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Stark
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viermal dort zu Besuch gewesen war, als sie alle noch Freunde gewesen waren.
    Das Anwesen befand sich nahe der Spitze eines Dreiecks, das in östlicher Richtung noch über Cape Ann hinausragte. Ein von der nächsten Küstenstraße etwa vierhundert Meter entfernter Elektrozaun bildete die Basis des Dreiecks. Alles Land zwischen der Straße und der Klippe gehörte George, doch er hatte nur das Dreieck roden und den Wald aus Kiefern und Lorbeerbüschen auf dem Rest des Grundstücks stehenlassen. Eine schmale, mit Kies bestreute Zufahrtsstraße führte hindurch.
    Lloyd sah keine Möglichkeit, sich dem Haus unbemerkt und ungehindert von vorn zu nähern. Es blieb nur der Weg über die Klippe.
    In diesem Abschnitt gab es kaum Strände, nur einen schmalen Geröllstreifen zwischen dem Wasser und der aufragenden Klippe, die steil, aber nicht senkrecht war und stellenweise Vorsprünge hatte. Zwergwüchsige Bäume klammerten sich, hier und da von schweren Stürmen halb entwurzelt, an den Hang. George hatte vorgehabt, eine Treppe anlegen zu lassen, um Zugang zum Meer zu haben, doch Lloyd bezweifelte, dass er das tatsächlich getan hatte. Georges Beziehung zur Natur bestand darin, sie durch ein Fenster zu betrachten – er lief keine Außentreppe hinauf und hinunter, um sich ihr auszusetzen.
    Etwa eineinhalb Kilometer nördlich von Georges Anwesen stand ein Fischrestaurant. Die Küste war hier flacher, und die Straße verlief dichter am Meer. Lloyd ließ den Honda auf dem Parkplatz des Restaurants stehen und ging über Geröll und Kieselsteine in südlicher Richtung am Strand entlang. Es war mühselig, doch da gerade Ebbe war, gab es einen ausreichend breiten und einigermaßen ebenen Streifen, auf dem er vorankam.
    Als er am Fuß der dreieckig vorspringenden Klippe stand, konnte er das Haus nicht sehen, doch er wusste, wo es war. Und die Treppe war, wie er es geahnt hatte, nicht gebaut worden.
    Lloyd war nicht besonders durchtrainiert, aber fit genug, wenn es sein musste. Er suchte nach einer Stelle, wo der Hang nicht so steil war und Vorsprünge und genügend Bäume aufwies, an denen man sich festhalten konnte. Dann begann er zu klettern.
    Die Klippe war etwa zwanzig Meter hoch, so hoch wie ein sechsstöckiges Gebäude, aber steiler als jede Treppe. Mehrmals musste Lloyd sich mit beiden Händen an dem rauhen Stamm einer Krüppelkiefer emporziehen, und dreimal ruhteer keuchend an einer relativ ebenen Stelle aus, bis das Zittern in Armen und Beinen nachließ.
    Schließlich hatte er die Kante erreicht. Er hielt sich an zwei kleinen Büschen fest, richtete sich auf und spähte über den penibel gepflegten Rasen zu dem massig aufragenden Haus. Es war keine Menschenseele zu sehen.
    Die letzten Meter waren die steilsten, und der Rasen bot keinen Halt. Hier kam er nicht hinauf, und jeder Blick nach unten ließ ihn schwindeln. Mit klopfendem Herzen bewegte er sich vorsichtig nach rechts, bis er an eine Stelle kam, wo er über vorspringende Steine und die grauen Wurzeln zweier kleiner Bäume, die der Gärtner gefällt hatte, weil sie die Aussicht verstellt hatten, hinaufklettern und über die Kante kriechen konnte. Seine Brust streifte über das struppige Novembergras, als er voranrobbte.
    Er richtete sich nicht auf. Das Haus war etwa sechs Meter entfernt, die zahlreichen Fenster schimmerten im späten Morgenlicht. Wer immer im Haus war, wäre durch die Sonne geblendet, aber wenn Lloyd aufstand, würde er trotzdem gut zu sehen sein.
    Auf allen vieren kroch er zum Haus. An der rauhen Steinfassade stand er endlich auf und wandte sich nach links. Wenn er sich recht erinnerte, befanden sich die Küchen – es gab zwei – auf dieser Seite, ebenso wie der Lieferanteneingang.
    Ja. Die Tür war dunkel und massiv, neu angefertigt, aber auf alt getrimmt und aus Schottland importiert. Da das Grundstück nach Westen gut gesichert und auf der anderen Seite durch die Klippe und das Meer geschützt war, gab es keinen Grund, die Türen tagsüber verschlossen zu halten. Lloyd ging zum Lieferanteneingang und trat einfach ein.
    Die erste Küche war leer. Es gab hier eine kleine Toilette,und seine Nervosität machte es nötig, sie aufzusuchen. Er musterte sich im Spiegel und stellte fest, dass er abgerissen aussah: Hände und Gesicht waren zerkratzt, die Kleider zerknittert und schmutzig, das Haar wirkte wie eine Perücke aus einem Scherzartikelladen. Er wusch sich, klopfte die Kleider ab und brachte sich so gut es ging in Ordnung, und dann ging er wieder in

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