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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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Fragen mißverstanden?
    Oder hatte Krakauer ihn mißverstanden? Als Outside Boukreev Anfang Juni eingeladen hatte, um die eventuelle Verwendung einiger seiner Expeditionsfotos zur Illustration von Krakauers Artikel zu besprechen, hatte er der Redaktion eine Kopie desselben Wilkinsons-Interviews überlassen.
    Laut Boukreev hatte bei Outside niemand mit ihm die Einzelheiten seines Gesprächs mit Scott Fischer oberhalb des Hillary Step oder die Frage seiner Bekleidung am Gipfeltag überprüft. Am 31. Juli schrieb Boukreev mit Hilfe von Freunden einen Brief an Mark Bryant, den Herausgeber von Outside .
    31. Juli, 1996
Mr. Mark Bryant
Herausgeber »Outside«
400 Market St.
Santa Fe, New Mexiko 87501
USA
     
    Sehr geehrter Mr. Bryant, ich schreibe an Sie, weil ich glaube, daß Jon Krakauers Artikel »In eisige Höhen«, der in Ihrer Septemberausgabe von 1996 erschien, meine Entscheidungen und mein Vorgehen am 10. Mai 1996 am Mount Everest einer ungerechtfertigten Kritik unterzieht. Während ich Mr. Krakauer Respekt entgegenbringe, einige seiner Ansichten über das Verhalten von Begführern in extremer Höhe teile und glaube, daß er alles in seiner Macht Stehende getan hat, seinen Gefährten an jenem tragischen Tag am Everest zu Hilfe zu kommen, glaube ich doch, daß seine Distanz zu gewissen Ereignissen und seine begrenzte Höhenerfahrung einer objektiven Bewertung der Ereignisse am Gipfeltag im Weg stehen.
    Meine Entscheidungen und mein Vorgehen gründen auf über zwanzigjähriger Erfahrung im Höhenbergsteigen. Ich war dreimal auf dem Mount Everest und habe zwölfmal Gipfel über 8000 Meter bestiegen. Zu meinen Gipfelsiegen gehören sieben der vierzehn Achttausender, und alle habe ich ohne Zuhilfenahme von zusätzlichem Sauerstoff bewältigt. Da diese Erfahrung aber die von Mr. Krakauer aufgeworfenen Fragen nicht hinreichend beantwortet, führe ich ergänzend folgende Einzelheiten an.
    Nachdem ich die Seile angebracht und die Spur zum Gipfel ausgetreten hatte, blieb ich von dreizehn Uhr sieben bis gegen vierzehn Uhr dreißig auf dem Gipfel und wartete auf die anderen Teilnehmer unserer Gruppe. In dieser Zeit kamen nur zwei (Mountain-Madness-) Kunden auf den Gipfel, nämlich Klev Schoening, wie aus dem von mir aufgenommenen Gipfelfoto ersichtlich, und Martin Adams, beide Teilnehmer an Scott Fischers Expedition. Da niemand mehr nachkam und ich keinen Funkkontakt mit der Gruppe hatte, wurde ich zunehmend besorgt und befürchtete Schwierigkeiten weiter unten in der Route. Ich entschloß mich daher zum Abstieg.
    Knapp unterhalb des Gipfels begegnete ich Rob Hall, dem Expeditionsleiter aus Neuseeland, der in guter Verfassung zu sein schien. Dann passierte ich vier von Scott Fischers Kunden und vier seiner Sherpas, alle noch im Aufstieg begriffen. Alle machten einen guten Eindruck. Knapp oberhalb des Hillary Step traf ich Scott Fischer selbst und sprach mit ihm. Er war müde und abgekämpft, sagte aber, er sei nur ein wenig langsam unterwegs. Ich sah keine Anzeichen von Schwierigkeiten, obwohl ich vermutete, daß sein Sauerstoffvorrat aufgebraucht war. Ich sagte nun zu Scott, der Aufstieg ginge so langsam vor sich, daß zu befürchten sei, den Kunden würde beim Abstieg der Sauerstoff ausgehen. Ich erklärte, daß ich rasch absteigen wollte, um mich zu wärmen und heiße Getränke und Sauerstoff bereitzuhalten für den Fall, daß ich den absteigenden Kletterern entgegengehen und helfen müßte. Wie auch Rob Hall kurz vorher, war Scott mit diesem Plan einverstanden. Mir fiel die Entscheidung nicht schwer, da ich wußte, daß vier Sherpas, Neal Beidleman (Bergführer wie ich), Rob Hall und Scott Fischer als letzte absteigen und die Kunden ins Lager bringen würden. Man muß bedenken, daß um diese Zeit noch keine Anzeichen für den späteren Wettersturz zu sehen waren. Meine Entscheidung ermöglichte zweierlei. Erstens traf ich kurz nach siebzehn Uhr (durch das aufziehende Unwetter behindert) in Lager IV ein, konnte Getränke und Sauerstoff holen und um achtzehn Uhr im beginnenden Schneesturm zu meinem Solo-Aufstieg aufbrechen, um die verirrten Kletterer zu suchen. Zweitens gelang es mir, die eng aneinandergedrängt ausharrenden Vermißten zu finden, sie mit Sauerstoff zu versorgen und ihnen heißen Tee einzuflößen, so daß sie mit meiner Hilfe ins Lager und in Sicherheit gelangen konnten.
    Mr. Krakauer hat auch meine Gewohnheit, ohne Sauerstoff zu klettern, in Frage gestellt und angedeutet, daß meine Tauglichkeit durch diese

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