Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
Vom Netzwerk:
Entscheidung beeinträchtigt wurde. Wie bereits ausgeführt, hatte ich es mir im Lauf meiner Bergsteigerlaufbahn zur Gewohnheit gemacht, ohne zusätzlichen Sauerstoff zu klettern. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, daß es bei richtiger Akklimatisation sicherer ist, ohne Sauerstoff zu gehen, da man dem plötzlichen Schock des Akklimatisationsverlusts entgeht, der unweigerlich auftritt, wenn die Sauerstoffvorräte erschöpft sind.
    Meine Konstitution, jahrelanges Training in Extremhöhe, eiserne Disziplin, strenge Einhaltung der Akklimatisation und das Vertrauen in meine Fähigkeiten haben mir diese Entscheidung immer leichtgemacht. Scott Fischer, der sie billigte, hatte es mir freigestellt, ohne zusätzlichen Sauerstoff zu klettern.
    Eines möchte ich noch hinzufügen: Als Vorsichtsmaßnahme und für alle Fälle trug ich am Gipfeltag eine Flasche Sauerstoff, eine Maske und einen Regler bei mir. Beim Aufstieg ging ich eine Weile mit Neal Beidleman. Nachdem ich in einer Höhe von 8500 Meter meine Kondition überprüft und für gut befunden hatte, entschloß ich mich, meinen Sauerstoff Neal zu überlassen, dessen Vorrat mir Sorgen bereitete. In Anbetracht der Kraft, die Neal dann bei seinen späteren Bemühungen, den Kunden beizustehen, an den Tag legte, war es die richtige Entscheidung.
    Zu guter Letzt stellt Mr. Krakauer meine Bekleidung am Gipfeltag in Frage und behauptet, ich sei vor den Elementen nur ungenügend geschützt gewesen. Ein Blick auf eines der am Gipfeltag geschossenen Fotos zeigt, daß ich ebenso gut, wenn nicht besser ausgestattet war als die anderen Teilnehmer.
    Zum Abschluß möchte ich sagen, daß Mr. Krakauer und ich seit dem 10. Mai 1996 wiederholt Gelegenheit hatten, über unsere Erfahrungen und Erinnerungen nachzudenken. Ich habe erwogen, was passieren hätte können, wenn ich nicht rasch abgestiegen wäre. In Anbetracht der Witterungsbedingungen und der schlechten Sicht halte ich es für wahrscheinlich, daß ich mit den Kunden umgekommen wäre, die ich in den frühen Morgenstunden des 11. Mai finden und ins Lager IV schaffen konnte. Ich hätte sie auf dem Berg zurücklassen müssen, um Hilfe im Lager zu holen, wo, wie sich dann zeigen sollte, niemand willens oder fähig war, eine Rettung einzuleiten.
    Ich weiß, daß Mr. Krakauer wie ich den Verlust unserer Bergkameraden zutiefst betrauert. Wir beide wünschen, es wäre anders gekommen. Uns bleibt nur übrig, zu einem besseren Verständnis der Geschehnisse an jenem Tag beizutragen, in der Hoffnung, daß daraus eine Lehre gezogen wird, die das Risiko für alle jene verringert, die wie wir der Herausforderung der Berge nicht widerstehen können. Ich ermutige dieses Bestreben und reiche ihm meine Hand.
    Mit freundlichen Grüßen
    Anatoli Nikoliavich Boukreev
    Brad Wetzler, Redaktionsmitglied von Outside , schreibt in seiner Antwort vom 1. August, der Brief sei zu lang, um als »Leserbrief« veröffentlicht zu werden, bot aber an, Boukreevs Erwiderung auf vierhundert Wörter gekürzt zu bringen. Boukreev lehnte ab.
    2. August 1996
Mr. Brad Wetzler
»Outside«
400 Market Street
Santa Fe, NM 87501
     
    Sehr geehrter Mr. Wetzler, in bezug auf ihre Mitteilung vom 1. August (beigefügt), in der Sie mich ersuchen, meine Antwort auf vierhundert Wörter zu kürzen, fühle ich mich wie Jon, als ihn die Medien belagerten. Was ich in Erwiderung auf Jons Anschuldigungen vorbringe, läßt sich nicht auf »genießbare Häppchen« reduzieren, und auf genau das würde es hinauslaufen.
    Jons Kommentar zu meinem Entschluß, vom Gipfel abzusteigen, wurde geschrieben, als auf seinem Schreibtisch die Abschrift eines Interviews lag, in dem ich meine Entscheidung zum Abstieg erklärte und feststellte, daß Scott Fischer sie gebilligt habe. Dasselbe Interview befand sich in Händen der Mitarbeiter Ihrer Redaktion, welche die Fakten prüften, ehe die Septemberausgabe in Druck ging. Sicher hat Jon das Recht auf seine eigenen Spekulationen, Meinungen und Analysen, doch kann ich nicht umhin, mich zu wundern, warum er sich angesichts der ihm vorliegenden anderslautenden Information nicht die Mühe machte, mich anzurufen und die Sache zu klären. Mein Aufenthaltsort war bekannt; er hatte meine Telefon- und Faxnummer. Jons Behauptungen über meine Kleidung am Gipfeltag werden durch einen Blick auf Fotos vom Gipfeltag entkräftet. Es ist mir rätselhaft, wie er überhaupt auf diese Idee kommen konnte.
    Jons Äußerungen über die Tatsache, daß ich keinen Sauerstoff benutze, sind

Weitere Kostenlose Bücher