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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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was dann zu seinem Zusammenbruch führte, bleibt Gegenstand von Spekulationen.
    Fischer starb annähernd fünfhundert Höhenmeter über Lager IV. Die heldenhaften Bemühungen Lopsangs, der ganz allein über fünf Stunden lang darum kämpfte, seinen Freund und Mentor vom Berg herunterzuschaffen, haben praktisch keinerlei Erwähnung gefunden.
    Beidleman und Boukreev bedauern, daß sie bei Fischer keine eindeutigen, auf ernste Probleme hindeutenden Anzeichen erkennen konnten, da sie sonst, wie beide übereinstimmend sagen, versucht hätten, ihn zur Umkehr zu bewegen. Nach Fischers Tod machte Lopsang sich schwere Vorwürfe. 40
    Einige Auguren haben eine Erklärung für Fischers Tod in seinem Leben gesucht. Sie untersuchten seine Persönlichkeit, als ließe sich die Ursache aus einem Charakterfehler herausfiltern. Diese Bemühungen haben nur dazu geführt, einen Menschen zu verunglimpfen, dessen Leben auch nicht komplexer war als jenes der anderen Bergsteiger oder eines jeden von uns, der über die Ereignisse des 10. Mai 1996 schrieb. Zur Erhellung des Geschehens haben diese »Enthüllungen« aber sehr wenig beigetragen.
    Fischers angeschlagener Gesundheitszustand, der durch Sauerstoffmangel noch kompliziert wurde, der Zeitpunkt seines Zusammenbruchs, seine Position auf dem Berg, schlechte Kommunikation, der Wetterumschwung, die Kondition seiner Teammitglieder, die hätten Hilfe leisten können – das alles zusammen waren die Ursachen, die zu seinem Tod führten. Einen speziellen Grund im besonderen anzuführen, hieße, sich Allwissenheit anzumaßen.
    Fest steht nur, daß einer der vielversprechendsten Alpinisten der Vereinigten Staaten einen frühen Tod starb. Einige Teilnehmer an der Everest-Expedition sagten, daß sie ungeachtet aller Probleme, persönlicher oder organisatorischer Art, mit Fischer ohne weiteres wieder eine Tour unternommen hätten. Man darf auch nicht vergessen, daß sie es waren, die sich für Fischer entschieden und nicht umgekehrt. Martin Adams sagte: »Er war der Rodeo-König unter den Bergführern. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten setzte ich großes Vertrauen in ihn und wäre wieder mit ihm geklettert.«
    Noch ein Jahr nach Fischers Tod hörte man seine Stimme vom Anrufbeantworter, wenn man bei ihm zu Hause anrief. Dazu befragt, sagte seine Frau Jeannie: »Die Kinder rufen gern unsere Nummer an, nur um seine Stimme zu hören.« Der Verlust war groß und wurde tief empfunden.
    Was die Mountain-Madness-Kunden betrifft, die bei ihrem Abstieg in Gefahr gerieten und nur knapp mit dem Leben davonkamen, so scheinen zwei Faktoren ausschlaggebend gewesen zu sein: ihr verspäteter Abstieg vom Gipfel und die Probleme, denen sie auf der Abstiegsroute begegneten, vor allem der Zeitverlust, als sie Yasuko Namba beistanden, einer Kundin Rob Halls, die an den Fixseilen nicht weiterkam und unmittelbar oberhalb Lager IV zusammenbrach. Das Verharren auf dem Gipfel und die Japanerin hatten die Gruppe über eine Stunde Zeit gekostet. Vom Ende der Fixseile aus, auf 8200 Meter Höhe, war Lager IV (das nur eine Dreiviertelstunde entfernt lag) einen Moment lang zu sehen, dann steckten die Kletterer wieder mitten im Unwetter. Wären sie eine Stunde früher an dieser Stelle angelangt, hätte sich die Situation ganz anders entwickeln können. Martin Adams sagte: »Die Annahme, das Unwetter hätte das Problem geschaffen, ist ein Irrtum. Nicht das Unwetter war es, sondern die Zeit.«
    Was Rob Hall, seinen Führer Andy Harris und seine zwei Kunden Doug Hansen und Yasuko Namba betrifft, die alle ums Leben kamen, so konnten die anderen Teilnehmer der Adventure-Consultants-Expedition nur wenig tun, um Licht in das Geschehen zu bringen. Warum Hall mit Doug Hansen, der erwiesenermaßen erst nach sechzehn Uhr den Gipfel erreicht hatte, noch auf dem Berg blieb, ist nach wie vor rätselhaft. Jon Krakauer spekulierte, daß sein Expeditionsleiter sich vielleicht mit Scott Fischer eine Art Mutprobe geliefert habe, »wer zuerst klein beigibt«. Aber kurz nach fünfzehn Uhr muß Hall klar gewesen sein, daß von Fischers Kunden alle den Gipfel erreicht hatten und Fischer in knappem Abstand folgte. Falls es für Hall um einen Wettstreit ging, stand der Sieger lange vor sechzehn Uhr fest. Andere, darunter Teilnehmer von Halls Expedition, mutmaßten, daß Hall die Umkehrzeit bis in den Gefahrenbereich hinein ausdehnte, weil er Hansen unbedingt auf den Gipfel bringen wollte.
    Was aus Harris und Hansen wurde, bleibt gleichfalls

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