Der Gipfel
ersichtlich, und Martin Adams, beide Teilnehmer an Scott Fischers Expedition. Da niemand mehr nachkam und ich keinen Funkkontakt mit der Gruppe hatte, wurde ich zunehmend besorgt und befürchtete Schwierigkeiten weiter unten in der Route. Ich entschloß mich daher zum Abstieg.
Knapp unterhalb des Gipfels begegnete ich Rob Hall, dem Expeditionsleiter aus Neuseeland, der in guter Verfassung zu sein schien. Dann passierte ich vier von Scott Fischers Kunden und vier seiner Sherpas, alle noch im Aufstieg be griffen. Alle machten einen guten Eindruck. Knapp ober halb des Hillary Step traf ich Scott Fischer selbst und sprach mit ihm. Er war müde und abgekämpft, sagte aber, er sei nur ein wenig langsam unterwegs. Ich sah keine Anzeichen von Schwierigkeiten, obwohl ich vermutete, daß sein Sauerstoffvorrat aufgebraucht war. Ich sagte nun zu Scott, der Aufstieg ginge so langsam vor sich, daß zu befürchten sei, den Kunden würde beim Abstieg der Sauerstoff ausgehen. Ich erklärte, daß ich rasch absteigen wollte, um mich zu wärmen und heiße Getränke und Sauerstoff bereitzuhalten für den Fall, daß ich den absteigenden Kletterern entgegengehen und helfen müßte. Wie auch Rob Hall kurz vorher, war Scott mit diesem Plan einverstanden. Mir fiel die Entscheidung nicht schwer, da ich wußte, daß vier Sherpas, Neal Beidleman (Bergführer wie ich), Rob Hall und Scott Fischer als letzte absteigen und die Kunden ins Lager bringen würden. Man muß bedenken, daß um diese Zeit noch keine Anzeichen für den späteren Wettersturz zu sehen waren. Meine Entscheidung ermöglichte zweierlei. Erstens traf ich kurz nach siebzehn Uhr (durch das aufziehende Unwetter behindert) in Lager IV ein, konnte Getränke und Sauerstoff holen und um acht zehn Uhr im beginnenden Schneesturm zu meinem Solo-Aufstieg aufbrechen, um die verirrten Kletterer zu suchen. Zweitens gelang es mir, die eng aneinandergedrängt aus harrenden Vermißten zu finden, sie mit Sauerstoff zu ver sorgen und ihnen heißen Tee einzuflößen, so daß sie mit meiner Hilfe ins Lager und in Sicherheit gelangen konnten. Mr. Krakauer hat auch meine Gewohnheit, ohne Sauerstoff zu klettern, in Frage gestellt und angedeutet, daß meine Tauglichkeit durch diese Entscheidung beeinträchtigt wurde. Wie bereits ausgeführt, hatte ich es mir im Lauf meiner Bergsteigerlaufbahn zur Gewohnheit gemacht, ohne zusätzlichen Sauerstoff zu klettern. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, daß es bei richtiger Akklimatisation sicherer ist, ohne Sauerstoff zu gehen, da man dem plötzlichen Schock des Akklimatisationsverlusts entgeht, der unweigerlich auftritt, wenn die Sauerstoffvorräte erschöpft sind.
Meine Konstitution, jahrelanges Training in Extremhöhe, eiserne Disziplin, strenge Einhaltung der Akklimatisation und das Vertrauen in meine Fähigkeiten haben mir diese Entscheidung immer leichtgemacht. Scott Fischer, der sie billigte, hatte es mir freigestellt, ohne zusätzlichen Sauer stoff zu klettern. Eines möchte ich noch hinzufügen: Als Vorsichtsmaßnahme und für alle Fälle trug ich am Gipfeltag eine Flasche Sauerstoff, eine Maske und einen Regler bei mir. Beim Aufstieg ging ich eine Weile mit Neal Beidleman. Nachdem ich in einer Höhe von 8500 Meter meine Kondition überprüft und für gut befunden hatte, entschloß ich mich, meinen Sauerstoff Neal zu überlassen, dessen Vorrat mir Sorgen bereitete. In Anbetracht der Kraft, die Neal dann bei seinen späteren Bemühungen, den Kunden beizustehen, an den Tag legte, war es die richtige Entscheidung.
Zu guter Letzt stellt Mr. Krakauer meine Bekleidung am Gipfeltag in Frage und behauptet, ich sei vor den Elementen nur ungenügend geschützt gewesen. Ein Blick auf eines der am Gipfeltag geschossenen Fotos zeigt, daß ich ebenso gut, wenn nicht besser ausgestattet war als die an deren Teilnehmer. Zum Abschluß möchte ich sagen, daß Mr. Krakauer und ich seit dem 10. Mai 1996 wiederholt Gelegenheit hatten, über unsere Erfahrungen und Erinnerungen nachzudenken. Ich habe erwogen, was passieren hätte können, wenn ich nicht rasch abgestiegen wäre. In Anbetracht der Witterungsbedingungen und der schlechten Sicht halte ich es für wahrscheinlich, daß ich mit den Kunden umgekommen wäre, die ich in den frühen Morgenstunden des 11. Mai finden und ins Lager IV schaffen konnte. Ich hätte sie auf dem Berg zurücklassen müssen, um Hilfe im Lager zu holen, wo, wie sich dann zeigen sollte, niemand willens oder fähig war, eine Rettung einzuleiten. Ich
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