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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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steile Steinwand, an der kein Pfad zur Höhe stieg, emporgetragen und auch dem braven Hawkens zum Führer gedient, denn dieser lag in meiner unmittelbaren Nähe, zwar bewegungslos, jedenfalls aber nicht ohne Leben.
    Ich richtete meine Aufmerksamkeit natürlich auf Diejenige zunächst, welche der treue Arrow mit mir aus der Gluth gerettet hatte. Es war ein Mädchen; sie lag vor mir so bleich, so kalt und starr. War sie in der fürchterlichen Hitze erstickt oder später in den Fluthen des Wassers ertrunken? Das leichte Gewand war durchnäßt und auf dem bewegungslosen Angesichte spielten die düstern Reflexe der über den Rand der Ebene emporsprühenden Feuerstrahlen. Ich befand mich in großer Verlegenheit, da ich nicht wußte, in welcher Weise ich ihr Hülfe bringen könnte. Da athmete es neben mir tief und schwer und die bekannte Stimme Hawkens frug:
    »
Heigh-ho!
Bin ich denn gebraten oder gesotten? Was ist nur eigentlich mit dem Sohne meiner Mutter vorgegangen?« Sich langsam emporrichtend, gewahrte er mich. »Da seid Ihr ja, Sir! Ah, jetzt weiß ich, was es gegeben hat: Das Thal brennt, und meine Mary –
‘sdeath,
wo ist die Mary hingekommen? Ich habe sie im Wasser verloren und bin immer nur Eurem Arrow nachgerannt und nachgestiegen. Mary! – Mary!! – Mary!!!«
    Ein kurzes Wiehern antwortete in der Ferne.
    »Mary, altes Viehzeug, komm, komm zu Deinem Sam!« rief freudig der Kleine und schlang, als die kameelbeinige Stute langsam herbeigehinkt kam, die beiden Arme fast weinend um ihren hageren Hals. »Sie geht lahm, sie hat sich Schaden gethan; ich glaube gar, sie ist von den Wellen durch die fürchterliche Enge gerissen worden und dann jenseits der Felsenpforte emporgeklettert! Schaut her, Sir, sie hat sich das Knie zerschunden. Ich werde einen Fetzen vom Rocke schneiden und ihr einen recht sauberen Verband umlegen. – Wäre doch lieber ich ein Wenig geschunden worden!«
    Noch lange, lange dauerte es, ehe die Lohe sich auf den oberen Theil des Thales zurückzog, wo der emporsteigende Oelstrahl ihr immer neue Nahrung bot. Das Mädchen war wieder zu sich gekommen, hatte aber den Schreck noch nicht überwunden und vermochte nur unzusammenhängende Worte zu stammeln.
    Am Morgen stieg die Sonne über die Ebene empor und in ihren goldenen Strahlen erbleichte der Schein des flammenden Oeles. Als wir an den Rand der Schlucht traten, um nach der Verwüstung zu sehen, welche der fürchterliche Brand da unten angerichtet hatte, ergriff uns ein Gefühl des Entsetzens und zugleich des Dankes für unsere glückliche und wunderbare Rettung. Alles war zerstört und vernichtet, Alles. Die Gebäude lagen in Trümmern, der Boden sah schwarz und verbrannt, keine Spur von Leben war mehr zu erkennen, kein menschliches Wesen ließ sich erblicken. Die gestern noch gelebt und frisch geathmet hatten, sie hatten Alle ihren Untergang gefunden – Alle? Bewegte sich dort nicht Etwas die Kante der Vertiefung entlang? War es ein Mensch oder ein Thier?
    »Ich habe Hunger, Sir, fürchterlichen Hunger,« meinte Hawkens, »und werde einmal nachschauen, ob ich zum Schusse kommen kann. Es wird wohl nichts anderes sein, als ein elender Coyote, den der Brandgeruch aus der Prairie herbeigetrieben hat; aber wenn man keine Büffel-Lende hat, so ist man auch mit einem Stücke vom Schakal zufrieden. Bleibt einstweilen bei den Pferden!«
    Er nahm seine Schießmaschine zur Hand und schritt vorsichtig der Gegend zu, in welcher wir das einsam sich vorwärts schleichende Geschöpf gesehen hatten. Der gute Sam sah heute noch possirlicher aus als gestern. Grad so wie mir war ihm in der gestrigen Hitze Kopf-und Barthaar vollständig weggesenkt worden; Rock, Hose und Stiefeln, alle aus Leder gefertigt, hatten bei dem Wechsel von Gluth und Wasser ihren Zusammenhalt verloren und bröckelten ihm stückweise vom Leibe, und der alte Filz war ihm so zusammengeschrumpft, daß er ihm wie ein verbrannter Eierkuchen auf dem kahlen Scheidel lag und die unvergleichliche Nase in ihrer ganzen Dimension erkennen ließ.
    Nach einer Weile kehrte er in Begleitung eines Mannes zurück, in dem ich sofort Alberts erkannte.
    »Habe Unglück gehabt, Sir!« klagte Sam. »Es giebt weder eine Büffel-Lende noch ein armseliges Coyoten-Viertel. Das Thier, welches ich schießen wollte, war dieser edle Master hier, der nach seiner Tochter sucht und jammert, die er verloren hat. Laßt ihn doch einmal Eure Miß ansehen!«
    Die Veränderung, welche mit dem stolzen Manne vorgegangen war,

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