Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
vermocht, hier eine bleibende Ruhestätte aufzuschlagen; auf diesen Höhen bringt höchstens die Gerste ihre Körner zu einer nothdürstigen Reife, und die hungernden Heerden nagen jede Erscheinung aus dem Pflanzenreiche mit gierigem Zahne bis an die Wurzel ab. Kein Haus, kein Baum bietet dem umherschweifenden Auge einen wohlthätigen Ruhepunkt; Kieselbruch und Geröll bedeckt den Boden, oder wandernde Dünen schleichen sich, von dem fliegenden Sande genährt, Schritt um Schritt über die traurige Fläche, und wo sich irgend ein Wasser zeigt, da liegt es in seinem Becken wie eine todte Masse, aus der jeder lebendige, blaue Ton verschwunden ist, um einem unbelebten schmutzigen Grau zu weichen.
    Ich hatte die Küstengegend verlassen, um einen Ausflug in die trübe Einsamkeit dieser Strecke zu machen und dann über Augila und Siwah Egypten zu erreichen. Nur mein Diener Mahmud begleitete mich. Er war weit im Oriente herumgekommen, sprach ein wunderliches Mischmasch aller arabischen und türkischen Dialecte, hatte zuletzt als Fremdenführer in Algier fungirt und war in seine gegenwärtige Stellung getreten, um endlich einmal zu wissen, wem er angehöre. Er hatte eine wahrhaft riesige Goliathgestalt, wie sie bei den meist schlank gebauten Arabern höchst selten ist, und besaß eine dem entsprechende Muskelkraft, die mich eigentlich veranlaßt hatte, ihn zu engagiren. Seine Stärke konnte mir bei den gefahrvollen Wanderungen durch die Wüstenländer von Nutzen sein. Leider machte ich aber bald die Erfahrung, daß seine Muthlosigkeit ebenso groß war, wie seine ungewöhnliche Körperstärke; er war trotz seiner Enacksfigur ein Hasenfuß und wurde von mir nur deshalb beibehalten, weil er die Verhältnisse des Landes genau kannte und ein munterer, lebhafter Gesellschafter war, mit dem man sich die Zeit verkürzen konnte.
    Er ritt ein zwar sehr ausdauerndes aber kleines, dürftiges beduinisches Pferdchen, so daß seine lang herabhängenden Füße fast die Erde schleiften, halle seine respectgebietende Gestalt mit allen möglichen Waffensorten behangen und besteckt und verstand es trefflich, seinem Gesichte einen so martialischen Ausdruck zu geben, daß er mir bei geeigneter Gelegenheit recht gut als Abschreckungsmittel zu dienen vermochte.
    Wir waren den ganzen Tag geritten. Jetzt neigte sich die Sonne dem Horizonte näher, und einige durch die dünne Luft schießende Schwalben, welche der poetische Araber »Thiuhr el Djinne, Vögel des Paradieses« nennt, bestätigten uns das Nahen der abendlichen Ruhezeit.
    »Hamdulillah, Preis sei Gott. Sihdi,« seufzte Mahmud und warf die Kaputze seines Burnus, welche sein Gesicht vor dem Sonnenstrahl geschützt hatte, in den Nacken zurück. Dieser Burnus war früher ein Mal weiß gewesen, sah jetzt aber aus, als habe er ein halbes Jahrhundert in der Feueresse gehangen und sei darauf mit einer fetten Speckschwarte ganz tüchtig eingerieben worden. »Mahmud el kebihr, Mahmud der Große, wie Dein tapferer Diener von Allen, die ihn kennen, genannt wird, ist müde wie eine Wachtel, die über das Meer geflogen kommt. Wann werden wir vom Pferde steigen?«
    Ich mußte lächeln, daß Mahmud der Große es nicht verschmähte, sich mit einer Wachtel zu vergleichen. Ich machte den Versuch, ihn zu trösten:
    »Der Mueddihn ruft sein: ›
Hai aal el sallah,
ja rüste Dich zum Gebete,‹ erst wenn die Sonne in das Sandmeer taucht. Und auf das Gebet folgt die Ruhe!«
    »Mahlesch, das ist Nichts, o Herr! Jetzt ist ja erst das ›Assr‹, die Zeit des Karawanenaufbruchs, zwei Stunden vor dem Abende. Dein Knecht Mahmud Ben Mustafa Jussuf Jaakub Ebn Baschar fällt vom Pferde, wenn er noch so lange reiten soll. Sein Serdj, der Sattel, brennt ihm zwischen den Beinen, als hätte er einen abgerissenen Zipfel von der Hölle unter sich! Hab Erbarmen mit ihm und laß ihn auf die Erde steigen!«
    Statt aller Antwort setzte ich meine Berberstute in Galopp. Er mußte folgen und ich that, als ob ich die aus allen orientalischen Sprachen zusammengesuchten Kraftwörter, welche er in den Bart murmelte, nicht vernehme.
    Ich hatte nämlich bemerkt, daß mein Pferd die Nüstern aufbließ; es mußte feuchte Luft schmecken, und vielleicht war eines jener oben erwähnten Wasser, welche »
Birket el fehlate,
todte See« genannt werden, in der Nähe. Wir ritten eine sanft abfallende, sandige Höhe hinab, welche sich unten zu einer ziemlich ausgestreckten Ebene ausbreitete, und als ich mein Glas hervornahm, um dieselbe abzusuchen,

Weitere Kostenlose Bücher