Der Gitano. Abenteuererzählungen
Waffen konnten mir nur hinderlich sein.
Es war finstere Nacht, doch spendeten die Sterne des südlichen Himmels immerhin ein Licht, bei welchem man einen nicht zu kleinen Gegenstand noch auf einige Entfernung hin erblicken konnte. Alles Geräusch vermeidend, schlich ich mich der Richtung zu, in welcher ich das Bellen gehört hatte. Noch war ich nicht gar weit gekommen, so vernahm ich leise nahende Schritte. Ich warf mich zu Boden. Zwei Männer nahten und blieben nahe bei mir halten. Ich hatte mich in den Prairieen Nordamerika’s oft in einer ähnlichen Lage befunden, nur daß ich hier statt der Rothhäute zwei Araber beschlich. Ich machte mich auf einen Angriff gefaßt und zog das Messer.
In dem Einen erkannte ich den Schech el Djemali. Wer war der Andere? Ich sollte es gleich erfahren.
»Ein Franke ist dabei, sagst Du? Ist er stark und tapfer?«
»Er hat Muth und viele Waffen, auch besitzt er einen guten Geist, der ihm die Wege zeigt. Du aber wirst ihn bezwingen, o Hedjahn-Bei!«
»Schläft er?«
»Er schläft und alle Männer schlafen. Wenn Deine Gum die Kameele verläßt und sich heimlich zu Fuße naht, so kann Euch Keiner entgehen. Eure Zahl ist größer als die unsrige, aber der laute Ueberfall würde Euch doch wohl Mehrere kosten.«
»Dein Mund sagt die Wahrheit. Komm, zeig mir das Lager; dann kehre ich zurück und hole die Würger der Karavanen herbei!«
Der Schech el Djemali konnte ihm nicht folgen. Ich sprang empor, faßte ihn beim Nacken und stieß ihm das Messer bis an das Heft zwischen die Schultern. Es war in’s Herz gedrungen. Der Verräther stieß nur einen kurzen, hauchenden Laut aus und stürzte dann zu Boden.
Der Hedjahn-Bei hatte das Geräusch vernommen und drehte sich um. Das sofort wieder aus der Wunde gezogene Messer in der Faust, warf ich mich auf ihn. Unter dem unvermutheten Anpralle schlug er zu Boden. Ich kniete über ihm, faßte mit der Linken seine Kehle und hielt ihm die scharfe Klinge nahe vor die Augen.
»Hedjahn-Bei, der Tod wird Dich verschlingen, wenn Du nur ein einziges Glied rührst!«
Der Schreck hatte den gefürchteten Mann ergriffen. Er lag vollständig bewegungslos unter mir.
»Ich bin der Franke, von dem der Schech zu Dir gesprochen hat. Mein Messer hat ihm den Lohn gegeben und wird auch Dein Herz zerschneiden, wenn Du mir nicht gehorchst!«
»Was willst Du?« gurgelte er aus der zusammengepreßten Kehle.
»Höre mich an! Ich trachte nicht nach dem Tode eines menschlichen Bruders, und Du kannst Deine Seele retten, wenn Du thust, was ich von Dir begehre! Du kennst den Weg der Karavanen nach Siwah?«
»Ja,« antwortete er. Ich ließ ihm nur am Schlusse jeder meiner Fragen so viel Luft, als er zur Antwort bedurfte.
»Du wirst uns ungehindert und unberaubt ziehen lassen?«
Er schwieg und machte eine Anstrengung, sich zu befreien. Sofort setzte ich die Spitze des Messers auf seine Brust.
»Willst Du sterben, Hedjahn-Bei?«
Er gab den Versuch auf; es war mir Ernst mit der Drohung, das sah er.
»Also Du lässest uns unberaubt ziehen? Antworte, ich warte nicht drei Secunden!«
»Ja.«
»Du begleitest und beschützest uns mit Deiner Gum, bis wir nicht mehr irren können?«
Es wiederholte sich das vorige Manöver; aber er mußte sich fügen.
»Ja.«
»Und versiehst uns mit Speise und Trank aus Euren Beuteln und Schläuchen?«
»Ja,« knirrschte er.
»Und machst keinen Versuch, Dein Wort zu brechen?«
»Keinen!«
»Schwöre mir, daß Du hältst, was Du versprichst!«
Er hatte jedenfalls gehofft, daß ich ihn ohne Schwur loslassen werde, und dann hätte er sich um das Versprochene natürlich nicht gekümmert. Als er sich getäuscht sah, vereinigte er alle seine Kräfte zu einem Stoße, der mich fast abgeworfen hätte. Jetzt faßte ich ihn um so fester und setzte ihm die Spitze des Messers etwas fühlbarer auf die Gegend des Herzens.
»Schwörst Du es?«
»Ich schwöre,« flüsterte er ingrimmig, da er keinen Ausweg sah.
»Beim Barte des Propheten?«
»Beim Barte des Propheten!«
»Gut! Erhebe Dich, Hedjahn-Bei und komm mit mir zum Lager. Du stehst unter meinem Schutze, und es wird kein Haar Deines Hauptes gekrümmt werden!«
Er stand vom Boden auf. Es war vielleicht das erste Mal, daß der »Karavanenwürger« unter einem Feinde gelegen hatte, und die außerordentlichen Zugeständnisse, mit denen er sein Leben erkauft hatte, mußten ihm im höchsten Grade demüthigend vorkommen. Er stand unter dieser Last eine Weile fast regungslos vor mir; als ich
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