Der Gitano. Abenteuererzählungen
aber frug:
»Fürchtest Du Dich, mit mir zu gehen?« erklang ein kurzes, barsches:
»Komm!« und er schritt an meiner Seite ruhig den Weg zurück, den ich gekommen war.
Meine Vermuthung, die mich vorhin zur Recognition getrieben hatte, war also vollständig bestätigt. Der Schech el Djemali hatte im Dienste des Hedjahn-Bei gestanden, und die Thierstimmen waren für ihn ein verabredetes Zeichen gewesen.
Als wir bei meinem Zelte ankamen, blieb der bezwungene Räuber überrascht stehen. Mein Kameel hatte sich aus seiner liegenden Stellung erhoben, und seine hohe Gestalt zeichnete sich sehr deutlich gegen den sternenreichen Horizont ab.
»Ein Bischarin – ein Bischarinhedjihn? Der Araber verkauft kein solches Thier! Wie ist es in Deine Hand gekommen, Franke?«
Er hatte laut gesprochen. Bei dem Klange seiner Stimme hob das Thier schnaubend den Kopf und kam so weit auf ihn zu, als es der Strick, welcher es am Pflocke hielt, erlaubte. Rasch trat er herbei und faßte es am Halfter.
»Bei allen Scheidans, die in der Hölle wohnen, das ist ja mein Bischarin, welches ich – –« er unterbrach sich und trat auf mich zu, um mich genauer zu betrachten, als es bisher geschehen war. »Du bist es – Du bist es wahrlich! Hasa nessieb, das ist Gottes Schickung, denn nun ist die Schmach, daß ich Dir unterlegen bin, von mir genommen. Der Hedjahn-Bei braucht sich nicht zu schämen, wenn er einen Mann begleitet und beschützt, der das heilige Gastrecht bei ihm genossen und den ›Herrn mit dem dicken Kopfe‹ getödtet hat. Er wird sein Wort jetzt gern und willig halten!«
Auch ich erkannte erst jetzt den Bei el Urdi, welcher damals unter dem Löwen gelegen hatte und durch mein Einschreiten vom Tode errettet wurde. Ich war mehrere Tage bei ihm geblieben und hatte bei meinem Abschiede das Kameel mitnehmen müssen. Erst jetzt vermochte ich mir die Fragen zu beantworten, welche ich mir an jenem Tage auf dem Gange durch das Wadi vorgelegt hatte. Also darum hatte er von Gnade und Vergebung gesprochen, weil es gefährlich war, sein Lager zu betreten. Und darum besaß er lauter schnellfüßige Reitthiere, weil der Wüstenräuber keine langsamen und schwerfälligen Lastkameele gebrauchen konnte, und er hatte sie in das Wadi versteckt, um einen etwaigen Besucher seines Dorfes nicht auf sein eigentliches Handwerk aufmerksam zu machen.
Meine Rückkehr veranlaßte Mahmud den Großen, unter seinem Dache hervorzukriechen.
»Sihdi, sag, wen bringst Du hier?«
»Sieh Dir ihn an!«
Er that es.
»Allah akbar, Gott ist groß! Das ist ja der edle Bei el Urdi, bei dem Mahmud Ben Mustafa Jussuf Jaakub Ebn Baschar das fetteste Schaf erstochen und verzehrt hat, das ihm jemals vorgekommen ist!«
»Er ist es,« bestätigte ich, über die Erinnerung des hungrigen Dieners lächelnd. »Er liegt mit seiner Karavane ganz hier in der Nähe und wird uns nach Siwah bringen!«
»Bismillah, das ist gut! Dann bekomme ich auch wieder Etwas in meine Flasche; sie ist bom bosch, ganz leer!«
Ich rief die Männer herbei und theilte ihnen mit, so viel ich für gut befand. Von ihnen ungesehen wurde der Körper des Schech el Djemali beseitigt. Sie erfuhren von dem Vorgefallenen Nichts, ich mußte es dem Bei el Urdi versprechen, und hielten den Schech für entsprungen, weil er uns falsch geleitet hatte. Allerdings hätte es ein ungeheures Aufsehen erregt, wenn man in Siwah erfahren hätte, daß der Hedjahn-Bei gezwungen gewesen sei, den Beschützer Derer zu machen, auf deren Untergang er es vorher abgesehen hatte, aber ich konnte mich gern zur Schweigsamkeit verstehen, weil ich froh sein mußte, der uns überlegenen Gum so leichten Kaufs entgangen zu sein.
Der mit dem Messer erzwungene Schwur wurde gehalten. Wir erhielten alles Nöthige und gelangten wohlbehalten in Siwah an. Eine halbe Tagereise vorher aber verabschiedete sich unsre, unter andern Umständen so gefährliche Begleitung. Ihr Anführer liebkoste zum letzten Male sein Bischarinhedjihn und meinte dann mit ernstem Gesichte:
»Rabbena chaliëk, Gott erhalte Dich! Du hast zwei große Bei’s bezwungen, Assad-Bei, den Heerdenwürger und Hedjahn-Bei, den Karavanenwürger. Schieß auf den ›Herrn mit dem dicken Kopfe‹ so viel Mal Du noch willst, aber hüte Dich in Zukunft vor der Gum, denn Allah giebt nur selten zu, daß einer seiner Gläubigen dem Fremdling unterliegt. Sallam aaleïkum, Friede und Heil sei mit Dir!«
Ein Abenteuer auf Ceylon
1.
Ich stand auf dem Leuchtthurm von Point de Galle,
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