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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gebräuchlichen »E – o – a!« den Befehl, sich niederzulegen gab. Ich folgte sofort seinem Beispiele; er mußte einen Grund haben, sich nicht sehen zu lassen.
    »Allah kerihm, Gott ist gnädig! Siehst Du dort die Gum (Raubkarawane), Sihdi?«
    Ich folgte mit dem Auge seinem ausgestreckten Arme. Vor uns lag eine weite, von steil anstrebenden Bergwänden eingefaßte Thalrundung; unserm Standorte grad gegenüber, ungefähr drei Viertel Wegesstunden weit, erhob sich auf der Kuppe des Ras (Berg) ein eigenthümliches Mauerwerk, zu welchem eine lange Reihe von Reitern emporstrebten. Ich nahm das Fernrohr zur Hand und erkannte wirklich unsere Karawane, welche von den Räubern bedeckt und geführt, nach und nach unter dem alten, eingefallenen Thore verschwand. Schnell war ein Plan gefaßt. Wir durften uns nicht sehen lassen und mußten daher den offenen Thalkessel umgehen.
    »Zurück, Ali; das ist el Kasr; wir müssen es auf einem Umwege erreichen!«
    Es war ein böser, schlimmer Weg, den wir nun verfolgten. Wir mußten uns beeilen, noch vor dem bald zu erwartenden Einbruche der Dunkelheit an Ort und Stelle zu gelangen und hetzten, bald durch enge Seitenthäler und wilde, nackte Schluchten, bald über schroffe Höhengrate dahin, als würden wir von tausend Djinns nach dem verhängnißvollen Geisterschlosse getrieben. Im Grunde genommen war unser Unternehmen ein etwas unüberlegtes; aber ich konnte es, wie bereits gesagt, wirklich zu keiner Furcht vor dem Kofla-Aga bringen, freute mich sogar, offen gestanden, auf das zu erwartende Abenteuer und verließ mich dabei ganz auf unsere guten Waffen und auf mein gutes Glück, welches mich bis dahin selbst in den kritischsten Situationen nicht verlassen hatte. Auf die Tapferkeit Ali’s konnte ich sicher rechnen. Seit er wußte, daß el Kasr nicht von Geistern, sondern von Menschen bewohnt sei, hatte das Schloß seine Schrecken für ihn vollständig verloren.
    Wir ritten jetzt in ein enges Wadi (Thal) nieder, dessen Sohle mit trockenem, scharfschneidigem Halfagras bewachsen war. Es mußte Wasser in der Nähe sein, und wirklich, als wir dem Winkel folgten, den das Thal beschrieb, glänzte uns das ersehnte Element entgegen. Es war ein Birket, ein kleiner See, wie man sie zuweilen in der Wüste findet, nur kurze Zeit ein wenig Wasser zeigend und das ganze Jahr dann leer und trocken liegend.
    Aber noch Eins bemerkte ich: wir hatten el Kasr erreicht. Das Wadi hatte eine lange aber nur wenige Ellen breite Seitenschlucht, deren eine Wand fast senkrecht zu dem Gemäuer des Schlosses emporstieg. Grad dieser Steilung wegen konnten wir von oben nicht gesehen werden und ritten in die Schlucht hinein. Wir waren noch nicht gar weit vorwärts gekommen, so deutete Ali in die Höhe.
    »Siehst Du el Büdj, den großen Bartgeier mit seinen Frauen und Kindern, Effendi?«
    Eine ganze Schaar von Geiern hatte sich über uns erhoben, und nach wenigen Schritten fanden wir die Schlucht von abgenagten und gebleichten Knochen dicht übersäet. Es waren menschliche Gebeine und – mit Schaudern mußte ich es denken – jedenfalls die Ueberreste der unglücklichen Kameeltreiber, welche in der Wüste gefangen, nach el Kasr geführt und vom Felsen in die Tiefe gestürzt worden waren. Darum also erzählte die Sage von el Büdj, dem gewaltigen Bartgeier, der über der Geisterburg schwebte!
    Das Aufsteigen der Vögel konnte unsre Anwesenheit verrathen; wir mußten warten, bis sie sich beruhigt hatten. Ich lenkte mein Thier nach einer Spalte, welche ich in der Felsenwand bemerkte, stieg ab und wollte eben die Oeffnung untersuchen, als ein Mann aus ihr hervortrat, welcher zwei Girba (Schläuche aus sudanischen Ziegenhäuten) in den Händen hielt. Er stand wohl im Begriff, vom Birket Wasser zu holen. Im Nu hatte ich ihn bei der Kehle gepackt, die ich so fest zusammenschnürte, daß er keinen Laut von sich zu geben vermochte, und in der nächsten Minute lag er gebunden am Boden. Dann setzte ich ihm die Spitze meines Dolchmessers auf die Brust.
    »Vernimm, ja radjal, Mann, was ich Dir sage: Versuchst Du, Dich zu wehren, oder antwortest Du mir einen einzigen Laut der Lüge, so schickt Dich dieser Stahl hinunter in die Tschehenna (Hölle)! – Der Kofla-Aga wohnt auf el Kasr?«
    »Ja, Sihdi,« stöhnte er voller Angst und Schreck.
    »Er hat Rahel, die Tochter Manassa Ben Aharab bei sich?«
    »Ja.«
    »Durch diese Spalte gelangt man in das Schloß?«
    »Ja.«
    »Wie viel Männer seid Ihr?«
    Er zögerte mit der Antwort,

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