Der Gitano. Abenteuererzählungen
gefährlichste aller Haifischarten liebt die Nähe der Küste und war somit ein sicherer Beweis, daß das Ziel der Reise nicht mehr fern sei.
Der Eine der Passagiere war in ein bequemes Grau gekleidet und trug den in diesen Breiten gebräuchlichen Panamahut. Der Andre stak in einem ausgefransten Habit von Büffelhaut und trug auf dem Kopfe eine Mütze, die während der ganzen Fahrt die muntere Aufmerksamkeit der Matrosen erregt hatte. Beide waren im Passagierbuche als Mr. Richard Forster und Mr. Tim Summerland eingetragen und schienen außerordentliche Eile zu haben, nach Vera Cruz zu kommen.
»Seht nur das Ungethüm, Sir, was für einen Rachen und welch große Augen es hat. Wer zwischen solche Zähne kommt, der ist nicht so glücklich wie der Prophet Elias, der drei Monate und sechs Tage in dem Bauche eines Walfisches zubrachte, bis ihn dieser auf den Libanon speiete! Und Ihr meint wirklich, daß es Leute gibt, die nur mit dem Messer in der Faust in das verteufelte Wasser springen, um sich mit dem Ungethüm herumzubalgen? Ich danke für solche Passion. Ich will doch lieber zwischen eine Heerde angeschossener Büffel gerathen, als mich von einem Viehzeuge verschlingen lassen und dann noch extra ersaufen! Das Wasser ist ganz gut, das haben wir ja in der Llano estacado gesehen; aber in solchem Haufen beisammen wie hier ist es eine gefährliche Erfindung, und ich will froh sein, wenn ich einige Quadratschuh festen Boden unter mir habe!«
»Das wird noch vor Abend der Fall sein, Tim, wie mir der Kapt’n sagte. Und wenn es mit der Postverbindung trifft, so sind wir morgen schon in Mexiko.«
»Das soll mich freuen! Aber ungeheuer ärgerlich würde es sein, wenn wir uns auf falscher Fährte befänden und umsonst über diese mechante Pfütze herübergeschwommen wären.«
»Man darf diese Möglichkeit nicht außer Rechnung bringen, doch glaube ich richtig zu vermuthen, wenn ich meine, daß wir diesen reichen Plantagenbesitzer aus Texas bei seinem Bruder, dem ehrenwerthen Alkalden Don Antonio Molez finden werden.«
»Wenn es so ist, Sir, so jage ich ihm gleich im ersten Augenblicke mein Messer in den Leib für den Diebstahl, den er an Euch verübt hat.«
»Ich glaube sehr, daß wir Beide, Olbers und ich, wieder zu dem Unsrigen kommen. Sarah sagte, daß sie eine ganze Menge Goldstaub und Nuggets bei ihm gesehen habe, und dieser Werth wird mehr als hinlänglich gewesen sein, die Kosten seiner Reise zu decken. Die Papiere des Bankiers hat er natürlich gegen andere vertauscht.«
Jetzt trat der Kapitän hinzu. Forster hatte zu seiner Freude einen Studiengenossen in ihm gefunden und ihm daher die Veranlassung zu seiner Reise und ihren Zweck mitgetheilt.
»Wie lang fahren wir noch, Williams?«
»In zwei Stunden sind wir am Hafen. Hier hast Du das Rohr. Gestern schnitten wir den Wendekreis und doublirten dann die Höhe von Tampico. Der Streifen vor uns ist die Küste vom wahren Kreuze.«
Wirklich erkannte Forster einen dunkeln Streifen, welcher den Horizont abschloß.
»Kennst Du den Fahrplan der Post?«
»Nein. Jedenfalls aber wirst Du nicht lange zu warten brauchen. Du glaubst also wirklich, den Kerl in Morelia zu finden?«
»Wahrscheinlich, behaupten aber kann ich es nicht.«
»Ich möchte annehmen, daß er in Texas ist. Er muß dort bekannt sein, sonst hätte er nicht so viel von dem Lande gesprochen, welches eine solche Ausdehnung besitzt, daß er trotz der Sorge um eine etwaige Verfolgung seine Spekulation dort ins Werk zu setzen vermag. Denke nur daran, daß es kein Vereinigten-Staaten-Territorium, sondern eine mexikanische Provinz ist und seine Auslieferung langwierige Unterhandlungen voraussetzen würde, während denen ihm eine Flucht zehnmal gelingen könnte.«
»Deine Ansicht in Ehren, aber ich kann mich ihr nicht anschließen. Sein ganzes Aeußere deutet auf spanische Abkunft, und Mexiko ist ihm jedenfalls bekannter als Texas; sein Bruder lebt dort, den ich keineswegs für seinen Stiefbruder halte. Master Wilson wird wohl ursprünglich ein Sennor Molez gewesen sein. Zwar glaube ich auch wie Du, daß er auf die Ausführung seiner Spekulation nicht verzichten werde; aber die Grants sind in Texas nur mit Mühe und durch langwierige Vermittelung, in Mexiko aber aus erster Hand und viel billiger zu haben. Vielleicht steht er in Beziehung zu einer bei der Verwaltung der Staatsländereien betheiligten Persönlichkeit oder hofft, durch den Alkalden in eine solche Beziehung zu treten. Gelingt ihm sein Vorhaben, so
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