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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sollte, wandte er sich deshalb mit stolzem Selbstbewußtsein zu dem Diener:
    »Wir werden das Weib Deines Gebieters gesund machen, trotzdem sie keine Seele hat. Dafür hat der Mann, den Du Abrahim-Arha nennst, meine Hand mit Segen gefüllt, was mir lange nicht so wehe thut, wie daß Du deshalb Deine guten hundert Streiche eingebüßt hast. Ich bin gern bereit, sie Dir aus unseren eigenen Mitteln zu erstatten, und paßt es Dir auch jetzt nicht gleich, so komme in drei Tagen wieder. Wir reisen morgen noch nicht ab!«
     
    Unser Boot legte in der Nähe einer Dahabïe, einer Nilbarke an, welche wegen Mangel an Wind das Ufer gesucht hatte. Die Taue waren befestigt, die Segel eingezogen und nach dem frommen muhamedanischen Gebrauche lud der Reïs, der Kapitän des Schiffes, seine Leute zum Abendgottesdienste.
    »Hai al el salah, auf, zum Gebete,« tönte seine tiefe, männliche Stimme, und schon im Fortgehen, wandte ich mich schnell wieder zurück.
    Hatte ich recht gehört? War das wirklich mein alter Freund Hassan, der Abu el Reïsahn, der Vater der Schiffsführer, wie er von allen seinen Bekannten genannt wurde? Die Stimme war die seinige; klar und deutlich schallte sie vom Bord herüber, und als er die letzten Worte: »el salem aleïkum, der Friede sei mit Euch,« mit einer Betonung gesprochen hatte, die nur ihm eigenthümlich war, konnte ich keinen Zweifel mehr hegen.
    Fast hüpfte mir das Herz vor Freude über diese willkommene Ueberraschung. Auf ihn, meinen alten Führer und Beschützer, konnte ich mich in jeder Lage, auch in der gegenwärtigen verlassen. Wir hatten zahlreiche Fahrten und Kameelwanderungen mit einander unternommen und uns in Folge der gemeinschaftlich bestandenen Gefahren so innig zusammengelebt, als seien wir Vater und Sohn. Nach wenig Augenblicken stand ich bei ihm auf dem Schiff und fühlte die kräftige Umarmung, mit welcher er mich, ganz gegen den kalten orientalischen Gebrauch, an sich drückte.
    »Heil sei mit Dir, mein Sohn, daß Du meinen Augen Dein Angesicht zeigest; Allah hat Dich beschützt mitten im Gifte des Sudan, damit mein Herz Freude an Dir habe. Komm, steige über diese Gummiballen und laß mich hören, was Deinen Fuß an diesen schlimmen Ort geführt!«
    »Ein schlimmer Ort?«
    »Vor dem Auge des Ungerechten welkt das Gras, und vor seinem Blicke sterben die Blumen des Feldes. Weißt Du nicht, daß hier Abrahim-Arha wohnt, der sich früher Hedjahn-Bei nannte?«
    »Hedjahn-Bei, der Mörder der Karawanen!« rief ich so laut, daß es weit über das Wasser schallte und Hassan mich mit einer angstvollen Bewegung zum Schweigen mahnte. »Hedjahn Bei, der dann vom Vicekönig begnadigt wurde, um seine früheren Spießgesellen an den Strick zu liefern?«
    »Ja, Hedjahn-Bei, der auch uns beraubte und gefangen nahm, und dem wir nur entkamen, weil Du sein Kameel tödtetest!«
    »Komm näher, immer näher, damit kein anderes Ohr meine Worte vernehme, Abu el Reïsahn! Weißt Du, daß ich bei ihm war?«
    »Bei ihm? Kannte er Dich wieder?«
    »Fast. Er zeigte mir seinen Harem.«
    »Seinen Harem? Allah bewahre Deinen Kopf! Hat Dich die Sonne gestochen?«
    »Ich bin gesund und bei Sinnen, Hassan; Du sollst Alles wissen. So höre!«
    Ich erzählte ihm das Abenteuer des heutigen Nachmittages, aber ohne noch Etwas über meinen Entschluß, die Kranke zu befreien, verlauten zu lassen.
    Seit ich nun wußte, warum wir Abrahim-Arha so bekannt vorgekommen war, hatte dieser Entschluß womöglich noch an Festigkeit gewonnen. Hassan hörte mir lautlos bis zum Schlusse meiner Erzählung zu und beobachtete auch dann noch ein nachdenkliches Schweigen. Endlich fragte er langsam und mit Betonung:
    »Wann willst Du fortgehen von hier?«
    »Noch diese Nacht.«
    »Und die Rose des Mörders?«
    »Sie wird mit mir gehen,« antwortete ich, erstaunt über den Scharfsinn des Alten, welcher mich vollständig errathen hatte.
    »Mein Sohn –«
    »Laß Deine Zunge schweigen, mein Vater!« fiel ich ihm in die Rede. »Ich weiß, was Du mir sagen willst und kenne meine Wege. Du sollst nicht sündigen an dem Gesetze des Propheten; aber zur Zeit des ersten Gebetes wirst Du mit dem Schiffe da sein, wo mein Kahn Dich erwartet.«
    Wieder schwieg er eine geraume Zeit; dann antwortete er:
    »Die Dahabïe ist nicht mein Eigenthum. Ich komme vom Bahr el abiad, wo ich Gummi und Senna bestellt habe, und reise als Gast zurück. Aber um die Zeit der Morgenröthe werden wir schon weit von diesem Orte sein.«
    Damit war es abgemacht. Der alte

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