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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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in ihm, daß er einen falschen Weg eingeschlagen habe und umkehren müsse, wenn er mich geneigt erhalten wolle. Aber sein Stolz empörte sich bei dem Gedanken, einem Christen Abbitte zu thun. Zwang, wie bei einem arabischen Quacksalber, war bei mir nicht möglich, und ich sah deutlich, daß der Gedanke, aus diesem Labyrinthe nicht herauszukommen, ihn in neue Wuth versetzte.
    Da drehte ich mich um, schritt durch die Oeffnung des Geländers und befand mich schon der Thür nahe, als es angstvoll hinter mir erscholl:
    »Bei dem Barmherzigen, bleib!«
    Langsam drehte ich mich um und konnte nun die Züge des Erregten in ihrer häßlichsten Entstellung sehen. Die Spuren der Leidenschaften sprachen sich jetzt mit einer so widerwärtigen Deutlichkeit in ihnen aus daß ich meinen Sieg fast bereute und ihm mit einer raschen Handbewegung alle weiteren Worte abschnitt.
    »Laß Deine Rede schweigen! Der Christ vergiebt auch ohne laute Sühne; es ist so gut, als hättest Du gesprochen. – Nun laß uns Deines Herzens Kummer heilen und zu der Kranken gehen, um sie zu sehen.«
    Wie von einem Stoße getroffen, fuhr er zurück.
    »Maschallah, bist Du toll? Der Geist der Wüste hat Dein Hirn verbrannt, daß Du nicht weißt, was Du forderst. Das Weib muß sterben, auf welchem das Auge eines fremden Mannes ruhte!«
    »Sie wird noch sicherer sterben, wenn mein Auge sie nicht sehen darf. Ich muß den Schlag ihres Pulses messen und Antwort von ihr hören über Vieles, was ihre Krankheit betrifft. Nur Allah ist allwissend und braucht Niemand zu fragen.«
    Wieder erhob sich ein heftiger Kampf und es dauerte lange, ehe er unter allerdings sehr beschränkenden Bedingungen auf mein Verlangen einging.
    Ich durfte sämmtliche Frauengemächer sehen, da ich sehr absichtlich die Behauptung ausgesprochen hatte, daß der Grund des Uebels in irgend einem ungesunden Zustande der Wohnung liegen könne. Natürlich schien ich an eine rein körperliche Erkrankung zu glauben, obgleich ich schon seit der ersten Aufzählung der Symptome wußte, daß eine Herzens-und Gemüthskrankheit vorliege, und ich war sehr geneigt, anzunehmen, daß die Ursache in einem Zwange zu suchen sei, der die Patientin in die Hände Abrahim-Arha’s gebracht hatte.
    Ferner durfte ich sie gehen sehen und die ersten drei Finger meiner rechten Hand um ihr Handgelenk legen, um den Puls zu fühlen. Sodann durfte ich ihr diejenigen Fragen vorlegen, welche ich für ganz und gar unumgänglich hielt; doch mußte sie mit jeder Antwort warten, bis sie von ihm die Erlaubniß dazu erhielt.
    Ich war sehr zufrieden mit diesen Zugeständnissen; denn sie gewährten mir mehr, als jemals wohl einem Europäer zugestanden worden ist. Die Liebe des Egypters und infolge dessen auch seine Sorge mußte wohl eine sehr ungewöhnliche sein, da er sich zu solchen Opfern verstand. Freilich konnte ich die ingrimmigste Erbitterung gegen mich aus jeder seiner Mienen lesen, denn ihm war ich ein leider unabweisbarer Eindringling in die bisher unentweihten Mysterien seiner inneren Häuslichkeit, und ich hegte die Ueberzeugung, daß ich ihn auch selbst im Falle einer vollständigen Heilung als unversöhnlichen Feind zurücklassen würde.
    Jetzt war er gegangen, um das Nöthige selbst anzuordnen, denn keiner seiner Diener durfte ahnen, daß er einem Fremden Eintritt in das Heiligthum verstatte. –
    Endlich kehrte er zurück. Es lag ein Ausdruck fester, trotziger Entschlossenheit um seinem zusammengekniffenen Mund, und mit einem Blicke voll versteckt sein sollendem und doch hervorbrechendem Hasses drohte er:
    »Bei der Seligkeit aller Himmel, Effendi, sobald Du ein Wort sprichst, was ich nicht wünsche, oder nur das Geringste mehr thust, als Dir erlaubt ist, stoße ich sie nieder. Ich schwöre es Dir bei jedem Worte des Korans und bei allen Kalifen, deren Andenken Allah segnen möge!«
    Er hatte mich also doch kennen gelernt und wußte, daß ihm diese Versicherung mehr nützen würde, als die sanguinischesten Drohungen, wenn sie gegen mich selbst gerichtet waren. Uebrigens war es mir ja gar nicht in den Sinn gekommen, ihn in seinen Rechten zu kränken, nur konnte ich mich bei seinem Verhalten je länger desto weniger einer Ahnung entschlagen, daß sein Verhältniß mit der Kranken irgend einen dunklen Punkt habe.
    Wir gingen. Er schritt voran und ich folgte.
    Zunächst kamen wir durch einige fast in Trümmern liegende Räume, in denen allerlei nächtliches Gethier sein Wesen treiben mochte; dann betraten wir ein Gemach,

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