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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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»Vater der Schiffsführer« stand in so hohem Ansehen bei seinen Standesgenossen, daß er auf jedem von ihm bestiegenen Schiffe sich getrost als Herr benehmen konnte, und ich mußte, daß er mir den größtmöglichsten Schutz gewähren werde, trotzdem er als Muselmann sich nicht näher in eine Angelegenheit einlassen konnte, welche sich zwischen einem Weibe und einem Ungläubigen entwickeln sollte. –
    In meine Wohnung zurückgekehrt, ging es vor allen Dingen nun eifrig an’s Einpacken. Meine Sammlungen gab ich in Obhut des mir freundschaftlich gesinnten Consuls, den ich noch besuchte, und alles Uebrige mußte Omar auf die Dahabïe besorgen. Sodann construirte ich mir eine Laterne, wie sie zu dem vorliegenden Zweck am besten geeignet erschien. Ich füllte nämlich ein kleines geschliffenes Fläschchen fast bis an den Rand mit seinem Oele und gab ein Stückchen Phosphor hinein; dann schloß ich die Vorrichtung luftdicht zu und hatte eine Laterne, die nicht nur einen genügenden Lichtschimmer verbreitete, sondern auch wenig Platz beanspruchte und selbst unter dem Wasser keinen Schaden leiden konnte.
    Zuletzt noch, als ich die Briefschaften in das Portefeuille schloß, fiel mir der letzte Brief meines Bruders in die Hände. Er war von Kairo datirt und lautete an einer seiner Stellen:
     
    …»Ich weiß, daß Du mit Deinem mehr auf die That gerichteten Character die Liebe für eine Schwäche hältst und kann leider Deine Ansicht auch nicht widerlegen, da Du noch kein Wesen getroffen hast, welches es verstanden hätte, sich aller Gefühle und Empfindungen Deines Herzens zu bemächtigen. Aber wenn Dir ein derartiges Wesen entgegen träte, wie ich es voll unendlicher Seligkeit in meinen Armen halte, so würde auch Dein Gemüth sich dem Sonnenstrahle der Liebe öffnen und alle Stimmen Deines Innern müßten zusammenklingen zu einem einzigen großen, unendlichen Jubel. Du weißt, daß ich ein nüchternes Menschenkind und kein Phantast und Schwämer bin, aber seit ich in dieses Auge geblickt, seit ich diese Lippen geküßt, seit diese Locken mir duften und diese Stimme mir klingt, habe ich einen guten Theil des trägen, irdischen Stoffes abgestreift und lebe in einer ununterbrochenen Entzückung, welche mich fast an die Himmel Muhamed’s glauben läßt. Lache und spotte meinetwegen über mich, aber komm’ und siehe selbst – ich bin überzeugt, daß dann Dein Spott verstummen wird!…«
     
    Wirklich hatte ich mich beim Lesen dieser Zeilen eines gewissen Lächelns nicht erwehren können; jetzt aber weckte die Wiederholung ganz andere Gefühle in meinem Herzen.
    Welch’ eine Schickung, daß wir beide fast zu gleicher Zeit unsere bisher so widerstrebenden Nacken unter dem Scepter der Schönheit beugen mußten! Welch’ ein Glück, daß uns das Geschick grad’ in dieser seligen Zeit zusammenführen sollte! Und welch’ eine Wonne, welche uns im engeschlossenen Kreise für die ganze Zeit unseres Lebens erwartete! –
    Der Kahn stieß ab.
    Es war eine jener Nächte, in denen die Natur in so tiefem Vertrauen ruht, als gäbe es auf der ganzen weiten Erdenrunde keine einzige drohende oder störende Macht.
    Die leisen Lüfte, welche mit den Schatten der Dämmerung gespielt, waren zur Ruhe gegangen; die Sterne des Südens lächelten verschwiegen aus dem tiefblauen Dunkel des Himmels herab, und die Wasser des göttlichen Stromes flutheten ruhig und fast lautlos in ihrer breiten Bahn dahin. Wir ließen das kleine, schwanke Fahrzeug von den Wellen treiben. Ich lehnte halb liegend am Steuer; Omar saß regungslos und träumend bei den eingezogenen Rudern, und so gaben wir uns widerstandslos der Ruhe hin, welche jeder That, sei es in der großen Gottesnatur oder im Leben des schaffenden Menschen, voranzugehen pflegt.
    Auch in den Tiefen meines Innern herrschte Ruhe, stille, friedliche Ruhe; es war, als zöge ein heiliger Gotteshauch über die Gefilde meines Herzens, und ich dachte unwillkürlich an die Worte des orientalischen Königs, welcher unter den Palmen Zions dem Herrn Jehova die Klänge seiner Psalmen opferte: »Meine Seele ist stille in Gott!« Ja, so war es; die wahre Liebe lehnt sich an Gott, gründet sich auf das Vertrauen zu seiner Hülfe und spricht in der Stunde der Gefahr: »Mit dem Herrn wollen wir Thaten thun.«
    Es war nichts Leichtes, was ich zu vollbringen gedachte; denn ich wollte mich in die Höhle des Löwen wagen, vor dessen Namen das ganze Nilthal, die angrenzenden Wüstenstrecken und die in ihnen

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