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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zerstreuten Oasen gezittert hatten; die Schießwaffen mußte ich zurücklassen und sah mich also fast wehrlos ihm und den Seinen gegenübergestellt, falls ich überrascht und entdeckt wurde. In diesem Falle konnte ich auch auf den Beistand meines sonst so tapfern Dieners nicht zählen, denn dieser mußte zurückbleiben, um das Boot zu bewachen und den an das Ufer befestigten Kahn Abrahims in den Grund zu bohren, damit eine etwaige Verfolgung abgeschnitten und verhindert werde. Aber die Gefahr war mir so oft begegnet, daß ich mich nach und nach an sie gewöhnt hatte, und zudem galt es hier ja einen Preis, für den das größte Wagniß noch kein zu hohes Opfer genannt werden konnte.
    Also vorwärts; bis zur Morgenröthe ist es keine Ewigkeit, und jetzt gilt es zu handeln; dort heben sich schon die dunklen Umrisse des Gebäudes aus ihrer grauen, steinigten Umgebung hervor!
    Ich ließ mich eine Strecke oberhalb des Ortes, den Omar dann in einem weiten Bogen umfahren sollte, um weiter unten anzulegen, an das Land setzen und schritt dann vorsichtig, zwischen den zerstreut umherliegenden Felsenblöcken Deckung nehmend, der Mauer zu, um zunächst zu recognosciren.
    Wie sich allerdings erwarten ließ, war das äußere Thor verschlossen; aber es war auch in keiner Weise die Spur eines lebenden Wesens zu bemerken, ein Umstand, welcher mich mit Genugthuung erfüllte, denn so konnte ich annehmen, daß die Bewohner des einsamen Hauses nicht mehr wach seien.
    Trotzdem schritt ich nicht in aufrechter Stellung zum Kanale, sondern gebrauchte die auf keinen Fall schädliche Vorsicht, mich auf die Erde zu legen, um ihn kriechend zu erreichen.
    Seine Wasser blinkten mir nicht sehr einladend entgegen; jedenfalls war es nicht angenehm, einem schönen weiblichen Wesen in triefender, vielleicht schlammiger Kleidung entgegen zu treten. Natürlich hatte ich nur diejenigen Stücke angelegt, welche unumgänglich nothwendig waren, und alles Andere im Boote gelassen. Ich warf einen Stein in das Wasser und hörte an dem dadurch hervorgebrachten Schalle, daß es nicht tief sei. Wirklich brauchte ich gar nicht zu schwimmen; es reichte mir kaum bis an den Mund, aber eine hohe Lage Schlamm hatte sich auf dem Boden abgesetzt, der mir das Vorwärtskommen sehr erschwerte.
    Nach wenigen Schritten befand ich mich unter dem gewölbten Bogen der Leitung und zählte genau die Schritte, welche ich vorwärts that. Als ich mich nach meiner ungefähren Berechnung unter dem innern Hofe befinden mußte, senkte sich plötzlich die Wölbung bis herab auf die Oberfläche des Wassers, und ich wußte nun, daß ich mich in der Nähe des Bassins befinde. Die noch übrige Strecke mußte ich tauchend und in gebückter Stellung durchkriechen, was nicht blos höchst unbequem und anstrengend, sondern auch mit Gefahr verbunden war. Wie nun, wenn sich mir ein unvorhergesehenes Hinderniß in den Weg stellte und ich auch nicht so weit zurückkehren konnte, um den nöthigen Athem zu holen – oder wenn ich beim Emportauchen von irgend Wem bemerkt wurde? Es war doch immerhin möglich, daß sich Jemand in dem Hofe befinden konnte.
    Aber alle diese Bedenken konnten mich nicht irre machen. Ich sog die Lunge voll Athem, bog mich unter das Wasser und schob mich, halb schwimmend, halb gehend, so schnell wie möglich vorwärts.
    Eine ziemliche Strecke hatte ich zurückgelegt, und schon verspürte ich den eintretenden Luftmangel, als ich mit der Hand an ein Hinderniß stieß. Es war ein aus starken Stäben zusammengesetztes Gitterwerk, jedenfalls angebracht, um Thiere und grobe Unreinigkeiten von dem Bassin abzuhalten.
    Bei dieser Entdeckung wollte sich doch eine gewisse Aengstlichkeit meiner bemächtigen.
    Zurück konnte ich nicht, denn ehe ich die Stelle erreicht hätte, wo ich emportauchen und athmen konnte, war ich jedenfalls schon erstickt, und doch schien das Gitter sehr dauerhaft gearbeitet und befestigt zu sein. Aber hier gab es nur zwei Fälle: entweder gelang es mir, durchzukommen, oder ich mußte ertrinken.
    Mit aller Gewalt stemmte ich mich gegen die Stäbe – vergebens; das Gitter war tief in die Mauer eingefügt. Jetzt faßte ich nur den einen Stab in seiner Mitte und zog ihn mit angestemmten Füßen an mich – er gab nach; das Wasser hatte ihn biegsam und morsch gewacht; – ein zweiter Ruck, und er brach – die nächsten folgten – jetzt war die Oeffnung groß genug zum Hindurchschlüpfen, und gerade in dem Augenblick, an welchem mir die Brust zu zerspringen drohte,

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