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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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durchfuhr es Vitellius, »Messalina, die Frau des Kaisers!« Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, starrte er diese tanzende Göttin an, sah, wie die langen Haare ihre wogenden Brüste umspielten, die langen weißen Finger, die auf ihren Schamhaaren lagen, und er hörte ihre lachende Stimme aus der Sänfte: »Wenn du willst, schöner Bononier, werde ich dich heute nacht zum Manne machen.«
    Messalina! Da sprang er auf, stieß die Umstehenden beiseite, stürzte durch das erleuchtete Portal der Gladiatorenschule ins Freie und verschwand irgendwo in der lärmenden Menge.

K APITEL 2
    A uf der Suche nach der Straße der Gewürzkrämer gelangte Vitellius nach langem Forschen und Fragen in die Subura, ein sehr dicht besiedeltes und verrufenes Stadtviertel, das nur einen einzigen Glanzpunkt zu verzeichnen hatte: Hier war vor beinahe 150 Jahren der göttliche Cäsar geboren worden. Die Straße der Gewürzkrämer lag östlich der Hauptstraße Clivus Suburanus, sie war schmal, und nicht einmal Eselskarren kamen hindurch, weil die zahllosen kleinen Händler ihre Waren auf den Bürgersteigen und in der schmalen Fahrrinne feilboten. Neben Gewürzen und Kräutern konnte man hier aber auch Linsen und Haselnüsse, Trauben und Pflaumen, Brot und Backwaren, Werkzeuge und Haushaltsgeräte erwerben. Das alles ging unter unsagbarem Lärm vonstatten. Hier in Rom war die Konkurrenz weit größer als in Bononia, und Vitellius registrierte mit Argwohn, wie manche Händler ihre Kunden am Ärmel in die Gewölbe zogen.
    »Schöner Jüngling«, trat eine zottelhaarige Frau an Vitellius heran, »in meinem Thermopolium kannst du für einen As trinken, für zwei As essen, für drei bekommst du mich und für vier As einen funkelnden Falerner dazu.« Vitellius wehrte das Angebot mit einer unwilligen Handbewegung ab, obwohl er Hunger verspürte. Seit dem feudalen Gelage am Abend zuvor hatte er nichts gegessen. Nach einer Nacht unter Tausenden von Pilgern und Touristen auf dem Forum Julium, wobei sein Reisebündel als Kopfkissen diente, hätte es ihn zweifellos gereizt, einmal in einem Thermopolium zu speisen. Diese Art von Schnellimbiß galt in Rom als neueste Errungenschaft, man nahm alles im Stehen entgegen, nicht wie nach römischer Sitte im Liegen, angeblich sogar die frivolen Gunstbezeugungen der Wirtin. Aber Vitellius mußte auf jeden As schauen, er hatte gerade 60 Silbersesterze in seinem Beutel, was dem Wert von 150 bronzenen As entsprach. Fürs Thermopolium blieb da kein As übrig.
    Vitellius erkundigte sich nach Hortensius, dem früheren Krämer, und erhielt die Auskunft: Gleich da vorne, gegenüber dem Hospitium, der Herberge. Der Caupo vor der Herberge kam Vitellius freundlich entgegen, weil er glaubte, der Jüngling mit dem Bündel wolle bei ihm Logis nehmen; als er jedoch hörte, der Fremde suche Hortensius, deutete er mit einer abfälligen Handbewegung auf das Haus gegenüber, ein schmalbrüstiges, zweistöckiges Gebäude, das im Erdgeschoß gerade einer Türe und einem Fenster Platz bot. Dazwischen war an der Hauswand in verwaschener Schrift die Preistafel des Krämers zu erkennen:
     
I
Modius Roggen
III
Sesterze
I
Maß Falerner Wein
I
Sesterz
I
Brot
II 
As
I
Stück Käse 
I
As
 
Datteln
I
As
 
Zwiebeln
I
As
    Die Tür stand offen, wie überall um diese Jahreszeit. In der Dunkelheit des niedrigen Raumes erkannte Vitellius einen alten Mann mit weißem Bart. »Seid gegrüßt«, sagte Vitellius, »Ihr seid gewiß Hortensius, der Krämer«, und als der keine Antwort gab, fuhr er fort: »Ich komme wegen Verritus, Eurem Sklaven.« Der Alte winkte ab: »Ja, wir wissen, daß er tot ist. Die Ergebnislisten der Kämpfe sind überall angeschlagen. Mich trifft keine Schuld.«
    »Ihr hättet ihn nicht verkaufen dürfen!« wandte Vitellius ein.
    »Du Grünschnabel«, polterte Hortensius los, »ich habe 3.000 Sesterze für ihn bekommen und seiner Tochter Rebecca nach meinem Ableben die Freiheit versprochen. Verritus war damit einverstanden. Mit dem Geld muß ich den Rest meiner Tage leben.« Nach einer Weile fügte er hinzu: »Wer bist du eigentlich. Was willst du?«
    »Ich heiße Vitellius und komme aus Bononia. Durch einen Zufall geriet ich gestern abend in die Cena libera der Gladiatoren und lernte Verritus kennen. Er bat mich, für den Fall seines Todes seine Tochter aufzusuchen und ihr eine Mitteilung zu machen.«
    Der Alte musterte den Fremdling mit Mißtrauen, dann ging er zur Tür, die in einen hinteren, noch dunkleren Raum führte

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