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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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besondere Körpergröße oder Schönheit auszeichneten, bildeten die Vorhut der Triumphatoren. Kostbare bunte Kleider verbargen Wunden und blutunterlaufene Stellen. Und Plinius bemerkte: »Er ist schon ein schlauer Kopf, dieser Vespasian, er führt nur die größten Beutesklaven und die schönsten Frauen mit; die Römer sollen glauben, es handle sich um die besten Sklaven des Reiches. Das wirkt sich natürlich auf die Preise aus, das Sklavengeld fließt in die Kasse des Kaisers.«
    »Welch wunderschöne schwarze Haare die Sklavinnen haben«, schwärmte Plinia, »und welch aufrechten Gang. Ich glaube, Vespasian wird keine Schwierigkeiten haben, sie an den Mann zu bringen.«
    »Gewiß nicht«, antwortete ihr Bruder, »Vitellius, was meinst du?«
    Der starrte mit bohrendem Blick auf die jüdischen Sklaven, die da einer ungewissen Zukunft entgegengingen, und seine Gedanken schweiften zwei Jahrzehnte zurück, als er sich in so ein jüdisches Mädchen, wie sie dort unten vorbeizogen, verliebt hatte. Was lag alles zwischen damals und heute. Der armselige Kesselflicker hatte es zu einem der angesehensten Römer gebracht. Aus dem schüchternen Jüngling war ein selbstbewußter Mann geworden, aus dem Ärmling ein Krösus. Was er damals in einem ganzen Jahr verdiente, reichte heute nicht einmal für die Bedürfnisse eines Tages. Tempora mutantur – so ändern sich die Zeiten!
    Wie würde Rebecca heute wohl aussehen? So wie diese Kleine da, mit den dunklen Augen und dem anmutigen Gang? Unsinn, auch sie war zwanzig Jahre älter geworden. Vielleicht würde sie ihm überhaupt nicht mehr gefallen, vielleicht hatte sich nicht nur ihr Aussehen, sondern auch ihr Charakter verändert, vielleicht schlug sich das einst so liebenswerte Geschöpf als Hure durchs Leben, ließ sich von geilem Pöbel betasten und verrichtete dann ihr mäßig bezahltes Werk? Wußte er überhaupt, ob Rebecca noch am Leben war? Allein, ganz auf sich gestellt, in einem für sie fremden Land, mußte sie sich ein neues Leben aufbauen. Wahrscheinlich hatte sie den nächstbesten Mann geheiratet – was blieb ihr auch anderes übrig. Vielleicht hatte sie schon eine Schar Kinder mit ebenso dunklen Augen und langen schwarzen Haaren. O Rebecca …
    »Sieh doch, Vitellius!« Plinius zog seinen Nachbarn am Ärmel. »Da sind unsere Helden.«
    Auf einem zweirädrigen Streitwagen, gezogen von vier nebeneinander gespannten Schimmeln, nahten die drei Triumphatoren. Vespasian, der Kaiser, stand in der Mitte und zügelte mit starken Armen die vor dem tobenden Publikum scheuenden Gäule. Zu seiner Rechten winkte Titus, der Jerusalem-Eroberer, huldvoll den Massen zu. Domitian, knapp zwanzig Jahre alt und damit zwölf Jahre jünger als sein Bruder, warf Kußhände ins Publikum, das mit hysterischem Kreischen reagierte.
    »Heil dir, Vespasian!« – »Heil dir, Titus!« – »Heil dir, Domitian!« schallte es den Imperatoren vieltausendfach entgegen. Hinter jedem Triumphator stand ein Sklave und hielt den Lorbeerkranz über das Haupt seines Herrn. Von Zeit zu Zeit schrien die Sklaven den Feldherrn jetzt im Augenblick ihres höchsten Triumphes zwei Worte ins Ohr, wie es uraltem Brauch entsprach: »Memento mori! – Gedenke, daß du sterblich bist!«
    Wie lange hatten die Römer auf diesen Moment des Triumphes warten müssen! Jetzt fühlte sich jeder einzelne von ihnen als Sieger, als Eroberer, als Herr der Welt. Vergessen waren die Auseinandersetzungen um die unseligen Vorgänger auf dem Kaiserthron, der grausame Galba, der Geizhals Otho und der Vielfraß Vitellius, vergessen das chaotische Vorjahr, in dem es vier Kaiser gegeben hatte, vergessen die brutalen Säuberungsaktionen eines jeden einzelnen Prinzeps unter den Anhängern seines Vorgängers. Rom ging, so schien es, einer neuen, besseren Zukunft entgegen.
    Der Triumphzug endete in einem übermütigen Volksfest. Die Menschen tanzten auf den Straßen. Wein wurde kostenlos ausgeschenkt, Backwaren verteilt, Ochsen am Spieß gebraten; und jeder durfte kräftig zulangen. Eingekeilt zwischen jubelnden, tanzenden Römern gelang es Plinius und Vitellius nicht, sich zu befreien. Und der Übermut, mit dem die Menschen das Ereignis feierten, sprang auf sie über, und sie jubelten, tanzten und sangen, bis sich der Abend über die Stadt senkte. »Heil dir, Cäsar!« – »Heil dir, Titus!«
    Für Plinius war es zugleich sein Abschied von Rom, ihn erwartete eine neue Aufgabe als Procurator im südlichen Gallien.
    »Wann reist du ab?«

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